Kaarst "Ich sollte entführt werden"

Kaarst · Mehr als 650 DDR-Bürgern hat Burkhart Veigel von 1961 bis 1970 an der Berliner Mauer den Weg in den Westen ermöglich. Auf Einladung der CDU berichtet er in Kaarst von seiner Zeit als Fluchthelfer.

 Der junge Burkhart Veigel. Freunde im Osten hatte er nicht.

Der junge Burkhart Veigel. Freunde im Osten hatte er nicht.

Foto: Privat

Burkhart Veigel war einer der erfolgreichsten Fluchthelfer an der Berliner Mauer. Mehr als 650 Menschen ermöglichte er von 1961 bis 1970 durch Tunnel oder umgebaute Autos den Weg in den Westen. Am Montag erhält er dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande, eine Woche später, am 5. November, besucht er auf Einladung der CDU Kaarst. Die NGZ sprach mit ihm über seine Erlebnisse.

Herr Veigel, warum haben Sie sich als Fluchthelfer engagiert?

Veigel Ich war einer der extrem seltenen Fluchthelfer, der niemanden persönlich in den Westen holen wollte, da ich keine Verwandten oder Freunde im Osten hatte, und der nicht unter dem Regime gelitten hat. Aber ich konnte es nicht ertragen, dass Menschen so unfrei wie in der DDR leben mussten — eingeschlossen von einer Mauer, bespitzelt und massiv verunsichert durch eine Stasi, zwanghaft versehen mit Denkschablonen, die von der SED vorgegeben waren. Die Freiheit des Denkens und zumindest teilweise auch des Handelns ist für mich sehr wichtig, wichtiger auch als Sicherheit.

Wie sind Sie in die Szene gekommen?

Veigel Ich wurde von einem Studienfreund angesprochen und konnte so meine, für einen Westdeutschen unbedingt notwendigen, Lehrjahre in einer bereits funktionierenden Fluchthelfer-Gruppe absolvieren.

Was war der Trick bei der "Doppelgänger-Tour", die nie durchschaut wurde?

Veigel Das kann ich nicht besser erklären als in meinem Buch, dort mit zusätzlichen Schema-Zeichnungen. Entscheidend war, dass ein Fluchthelfer zweimal durch die Kontrollen ging: einmal mit seinem eigenen Ausweis, einmal mit einem Ausweis für einen Flüchtling.

Gab es sehr brenzlige Situationen?

Veigel Ich sollte nach einer Absprache zwischen der Justizministerin der DDR, Hilde Benjamin, und dem Generalstaatsanwalt der DDR, Josef Streit, nach meiner Entführung zum Tod verurteilt werden. Das stand schon fest. Zweimal sollte ich entführt werden, einmal in Berlin, einmal in Wien, aber beide Male habe ich die Absicht erkannt und konnte entwischen. Bei der "Sache am Zaun" bin ich dem Tod nur von der Schippe gesprungen, weil die Stasi massive Fehler bei der Planung der Operation machte. Verhaftet wurde ich einmal, konnte mich aber in einem stundenlangen Verhör herausreden, unter anderem mit einer falschen Identität und einer erfundenen Liebesgeschichte.

Haben Sie noch Kontakt zu Menschen, denen Sie zur Flucht verholfen haben?

Veigel Sehr viele, denn zur Vorbereitung meines Buchs habe ich etwa 100 Interviews mit Flüchtlingen und Fluchthelfern geführt.

(stef)
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