Kaarst Gleiches Recht für alle Frauen?

Kaarst · Kaarster Migrantinnen erfüllen zum Teil ein anderes Rollenbild als deutsche Frauen.

Überall auf der Welt feiern Menschen heute den Weltfrauentag. Dass er auch als Frauenkampftag bekannt ist, lässt ahnen, warum diesem Tag eine solche Bedeutung beigemessen wird: Die Rechte der Frau werden seit Jahrzehnten hart erkämpft. Und auch wenn schon viel erreicht wurde, hat das Thema Gleichberechtigung und Emanzipation seit den 60er Jahren nicht mehr solch hohe Wellen geschlagen, wurde so heiß diskutiert, wie in der heutigen Zeit. Kaarst kann sich mit einer Frau und zwei Vertreterinnen an der Stadtspitze als Vorreiter sehen. Doch wie sehr ist das Thema eigentlich bei den Menschen angekommen, die aus anderen Kulturkreisen stammen? Gibt es Probleme? Die Meinungen gehen auseinander.

Rubina Prill, die als Flüchtlingsbetreuerin für die Stadt arbeitet, stellt beispielsweise kaum Probleme bei geflüchteten Frauen fest. Sie seien offen für die neue Kultur und Sprache und nähmen Angebote zur Integration häufig wahr. Je nach Einwanderungsgeschichte bräuchten sie natürlich unterschiedlich lang, um sich einzufinden.

Etwas anders sehen die Lage sowohl Ursula Baum, Vorsitzende der Flüchtlingshilfe, als auch Katja Blume, Diplom-Pädagogin und Leiterin der Malteser Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung "Die Insel", und ihre Stellvertreterin Mirushe Murtezani. Migrantinnen jeglicher Herkunft - seien es junge, alte, erst kürzlich zugewanderte oder schon lange in Kaarst lebende - hätten oftmals nicht die gleichen Möglichkeiten wie beispielsweise ihre Männer oder Brüder. Blume: "Wir erleben hier oft Frauen, die in der klassischen Rollenverteilung feststecken, die Zuhause bleiben, den Haushalt machen und sich um die Kinder kümmern müssen." Vielen Mädchen stünde der gleiche Lebensweg bevor. "Mädchen, die regelmäßig bei uns waren, sind ab dem zwölften Lebensjahr plötzlich nicht mehr aufgetaucht. Fragt man bei ihren Freunden nach, heißt es dann, dass sie nicht dürfen", sagt Blume. "Wir fragen dann natürlich auch mal nach", aber festgefahrene Meinungen der Eltern seien schwer zu verändern. Murtezani: "Wir unterstützen unsere Mädels, die noch hier sind, und bestärken sie darin, dass sie den Weg gehen sollen, den sie für richtig halten." Oft werde den Mädchen aber von den Vätern oder Brüdern vorgegeben, wie dieser Weg auszusehen habe und was erlaubt sei oder eben nicht. Blume: "In puncto Gleichberechtigung müssen viele Jungs und Männer noch so einiges lernen."

Ähnliches erzählt auch Ursula Baum aus der Flüchtlingshilfe. "Wenn ich alleine einen Raum betrete, sind die Frauen viel offener und ziehen auch ihr Kopftuch ab." Das ändere sich, sobald ein Mann dabei sei. "Sie verstummen regelrecht", sagt Baum. Auch sie erzählt von dem klassischen Rollenbild, in dem der Mann arbeitet und die Frau die Kinder großzieht. Die Bildung bliebe dabei oft auf der Strecke, worin Baum ein großes Problem sieht: "Auch die Frauen werden alle arbeiten müssen, da wird das Jobcenter drauf bestehen. Aber wie sie das machen wollen, wenn sie sich nicht freischaufeln, weiß ich nicht."

Bildung sei der Schlüssel, da sind sich Baum, Blume und Murtezani sicher. Es müsse ein großer Wandel stattfinden. Man müsse sowohl mit den Männern als auch mit den Frauen reden, wo sie sich in zehn Jahren sehen. "Wollen sie das Leben so weiterleben, wie in ihrer Heimat, weiß ich nicht, ob sie hier richtig sind", sagt Baum und fügt hinzu: "Wir haben so hart für die Gleichberechtigung gekämpft, dass ich nicht bereit bin, einen Schritt zurückzugehen." Sehr wohl bereit ist sie aber, Aufklärungsarbeit zu leisten, da, wo die Menschen es zulassen. Chancen sehen sie bei den Kindern. Blume: "Ich habe die Hoffnung, dass es von Generation zu Generation besser wird."

(NGZ)
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