Kaarst Gericht spricht Lehrer Phillip Parusel frei

Kaarst · Monatelang hat sich die Justiz mit dem Pädagogen Phillip Parusel aus Kaarst beschäftigt - jetzt wurde der Realschullehrer freigesprochen. Der Richter sagte dazu: "Wir konnten hier keine Straftaten feststellen."

 Der Lehrer Phillip Parusel vor Gericht (Archivbild).

Der Lehrer Phillip Parusel vor Gericht (Archivbild).

Foto: dpa, mb abl

Das Landgericht Düsseldorf verwarf gestern das frühere Urteil des Neusser Amtsgerichts, das den Musiklehrer im August letzten Jahres wegen Freiheitsberaubung verwarnt hatte. Auch wenn Richter Rainer Drees das Wort nicht explizit in den Mund nahm - alle im Gerichtssaal konnten deutlich heraushören, dass der erfahrene Richter einen Lehrer wegen einer solchen "Lappalie" nicht bestrafen wollte.

Rückblick: Im Frühjahr 2015 war es in der Klasse 6b der Realschule Halestraße am Unterrichtsende zu tumultartigen Szenen gekommen. Weil die Klasse während einer Doppelstunde Musik laut und unruhig war, hatte Lehrer Phillip Parusel eine Art "Strafarbeit" angeordnet. So sollten die Schüler einen Text über den Geiger Paganini abschreiben. "Wer nicht fertig war, durfte den Klassenraum trotz Schulschluss nicht verlassen", hielt Staatsanwältin Laura De Bruyne in ihrem sehr deutlichen Plädoyer fest.

Ein Schüler rief die Polizei. Die Beamten rückten mit zwei Streifenwagenbesatzungen an. "Erst dann gab der Lehrer den Weg frei", so De Bruyne. Für sie stand fest: Der Musiklehrer gehört bestraft, an einer Freiheitsberaubung gibt es keinen Zweifel. Auch wegen fahrlässiger Körperverletzung sah sie Parusel überführt. Mit einer "schwunghaften Handbewegung" habe er einem Schüler in die Magengrube geschlagen, dieser habe entsprechende Schmerzen erlitten. Die Forderung: Parusel sollte ähnlich wie in Neuss verwarnt werden. Verteidiger Andreas Vorster vermochte die Ausführungen der Staatsanwältin nicht nachzuvollziehen. Er wertete das Vorgehen des Lehrers als erzieherische Maßnahme, die vom Schulgesetz gedeckt sei. Auch von einer Körperverletzung könne keine Rede sein. Das Urteil könne also nur auf Freispruch lauten.

Dem folgte letztlich auch Richter Drees. "Wir konnten hier keine Straftaten feststellen", sagte er, "vor allem der Junge, der die Polizei gerufen hat, wollte aus unserer Sicht durch seine Aussage den Angeklagten absichtlich belasten. Das war nicht glaubwürdig." Die Befragung vieler Schüler in der Schule gestern Morgen habe ergeben, dass sie die Situation in der Klasse nicht als "gravierend" empfunden hätten. "Somit kann aus unserer Sicht von einer Freiheitsberaubung keine Rede sein." Auch den Vorwurf der Körperverletzung ließ er nicht gelten - es sei nicht mal sicher, ob der betroffene Junge Schmerzen gehabt habe. Parusel und viele seiner Kollegen im Zuschauerraum vernahmen die Urteilsbegründung mit Genugtuung. "Zeitweise habe ich gedacht, ich bin im falschen Film", so Parusel am Rande der Verhandlung. Manchmal habe er sich gefragt, ob er wieder Lehrer werden würde, wenn die Entscheidung noch einmal anstünde. "Aber vielleicht kann ich in fünf Jahren über das, was ich erlebt habe, auch lachen."

(NGZ)
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