Kaarst Gemeinsames Trinken stärkt Dorfleben

Kaarst · Die Altbier-Ausstellung "Niederrheinische ALTernativen" ist mit einer eigenen Schau auf dem Tuppenhof angekommen.

 Richard Borgmann, Britta Spies und Jürgen Rau (v.l.) stehen an einer Festtafel, die etwa zur Einschulung eines Kindes üblicherweise reich gedeckt war. Dafür wurde das gute Geschirr und die gute Kleidung aus dem Schrank geholt.

Richard Borgmann, Britta Spies und Jürgen Rau (v.l.) stehen an einer Festtafel, die etwa zur Einschulung eines Kindes üblicherweise reich gedeckt war. Dafür wurde das gute Geschirr und die gute Kleidung aus dem Schrank geholt.

Foto: LH

Das Landleben war hart, zu arbeiten gab es mehr als genug, oft unter beschwerlichen Bedingungen. In der spärlichen freien Zeit gab es zudem wenig Abwechslung oder Unterhaltung. Umso intensiver wurden in der sonst so reizarmen Zeit die Feste und Gelegenheiten begangen, die den Alltag unterbrachen – natürlich feucht-fröhlich. "Feiern ohne Bier war ein Ding der Unmöglichkeit", erzählt Britta Spies, Kuratorin der Ausstellung "Wie feiert der Bauer? Mit Bier und Braten!", die ab morgen auf dem Tuppenhof zu sehen ist. Die Ausstellung findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Niederrheinisch-limburgische ALTernativen" statt. Zu sehen gibt es verschiedene Exponate wie Bierkrüge, Geschirr, typische Kleidung und Bilder, die zeigen, wie auf dem Land gefeiert wurde – angefangen um 1500 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

Dass Bier stets eine besondere Rolle bei allen Arten von Zusammenkünften der Landbevölkerung spielte, wird schon durch Namen wie "Kindelbier", "Fensterbier" oder "Leichenbier" deutlich. Dabei handelt es sich nämlich nicht etwa um spezifische Biersorten. "Es wurde zum Beispiel zum ,Kindelbier' eingeladen, wenn ein Kind getauft wurde, zum ,Fensterbier', wenn ein Haus fertig gebaut war, und ,Leichenbier' war einfach ein anderes Wort für Beerdigung", erzählt Britta Spies. Überhaupt war Bier stark im Alltag der Menschen verankert – was vor allem daran lag, dass es kaum Alternativen zu dem nahrhaften Getränk gab.

Zum Grundnahrungsmittel Bier gab es schlichtweg kaum Alternativen: "Wasser zu trinken, war oft abenteuerlich. Wenn der Brunnen neben dem Misthaufen lag, schwammen dort schon mal tote Mäuse oder Frösche drin. Milch wurde nach zwei Stunden sauer, auch Saft ist schnell vergoren", so die Kuratorin. Das vergleichsweise lange haltbare Bier war deshalb das Getränk der Wahl. Der durch das Bier unvermeidbare Rauschzustand hatte vor allem bei den Feiern aber einen tieferen Sinn. "Dorffeste, Hochzeiten und andere Feiern hatten immer auch eine soziale Funktion, indem man zusammen saß und trank, vergewisserte man sich als Gesellschaft. Das gemeinsame Trinkerlebnis stärkte sozusagen den Zusammenhalt, der auf dem Land besonders wichtig war."

Mehr noch: "Sich in der Gruppe in einen extremen Rausch zu trinken, galt als eine Art gegenseitiger Vertrauensbeweis", sagt Spieß. Dass diese frühe Art des "Koma-Saufens" üblich war, zeigt auch eine Tonscherbe aus dem 16. Jahrhundert, die auf dem Tuppenhof gefunden wurde. Das Motiv des "kotzenden Bauern" finde sich auf vielen Bierkrügen wieder, sagt Spies.

Auch die Kunst ließ sich von dem geselligen Landleben inspirieren wie das bekannte Bild "Das Hochzeitsessen" von Pieter Bruegel d.Ä. zeigt – eine Kopie hängt im Großformat in der Ausstellung. Die allzu karikaturhaften Darstellungen der "saufenden" Landbevölkerung zeigen allerdings auch die deutliche Abgrenzung der oberen Schichten zum ärmeren Teil der Bevölkerung. Auch zahlreiche Fotos, vom Stadtarchiv Kaarst zur Verfügung gestellt, geben Einblick in die Trinkkultur und Kneipenlandschaft um 1900. Ein mit Bildern und Erläuterungen bestückter Rundgang zeigt zudem die Geschichte des Biers von A wie Altbier bis Z wie Zapfen auf.

(NGZ)
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