Kaarst Gegenbesuch aus den USA nach 50 Jahren

Kaarst · Werner Ulrich verbrachte das Schuljahr 1963/1964 als Austauschschüler in den USA. Während er den Sohn seiner damaligen Gastfamilie einige Male dort besuchte, kam es erst jetzt zum ersten Wiedersehen in Kaarst.

 Werner Ulrich mit seiner Gastfamilie beim typisch amerikanischen Barbecue.

Werner Ulrich mit seiner Gastfamilie beim typisch amerikanischen Barbecue.

Foto: Shenk

Das Schuljahr 1963/1964 hat Werner Ulrich wie kein anderes geprägt. Er verbrachte dieses Jahr als Austauschschüler in Riverdale nahe Davenport im Bundesstaat Iowa. Während er den Sohn seiner damaligen Gastfamilie einige Male besuchte, kam es erst jetzt zum ersten Gegenbesuch: Jim Shenk (70) und Ehefrau Penny waren zuvor noch nie in Europa gewesen. Drei Tage London standen zunächst auf dem Plan, dann ging es weiter nach Kaarst. Werner Ulrich, der seit Jahren in Kaarst lebt, organisierte ein umfangreiches Sightseeing-Programm. Am Donnerstag werden seine Besucher wieder abreisen - mit sehr vielen neuen Eindrücken im Gepäck.

Jim Shenk hat Soziologie studiert und war im Staatsdienst tätig. Die Deutschen schätzt er als sehr freundlich und entspannt ein. Was Ehefrau Penny aufgefallen ist: "Das Essen und das Bier sind in Kaarst sehr gut." Die Eheleute Shenk wundern sich, dass der Kaarster mit dem Fahrrad zum Supermarkt fährt: "Das wäre bei uns zu gefährlich, in den USA ist das Fahrrad überwiegend ein Sportgerät und kein Ersatz für ein Auto."

Was die Gäste aber vor allem beeindruckt, ist die Jahrhunderte alte Kulturgeschichte Deutschland - die Vereinigten Staaten von Amerika sind da vergleichsweise jung. Wenn Jim Shenk auf den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump angesprochen wird, äußert er sich lieber nicht: "Das wäre nicht druckreif."

Werner Ulrich hat für ein volles Programm gesorgt: Mal schnell rauf auf die Aussichtsplattform des Kaarster Rathauses, am nächsten Tag auf den Fernsehturm in Düsseldorf. Natürlich wurde auch der Kölner Dom besichtigt. Es gab jede Menge Geschichte zum Anfassen, sein früherer Gastschüler zeigte Jim Shenk die Friedensbrücke in Remagen, er fuhr mit ihm nach Hürtgenwald, wo sich Deutsche und Amerikaner im Zweiten Weltkrieg bekämpften. Und als Beweis, dass Deutschland zum Teil wirklich so romantisch aussieht, wie man es sich in den USA vorstellt, stand auch das Ahrtal auf dem Besichtigungsprogramm.

Werner Ulrich lebte damals in Stolberg. Diese Kleinstadt bei Aachen war ebenfalls Ziel der beiden Freunde: Sie ließen sich an genau der Stelle zusammen fotografieren, an der Werner Ulrich 1963 zum Abschied für ein Foto gestanden hatte.

Werner Ulrich (70), der bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand als Erwachsenenbildungsreferent beim Evangelischen Kirchenkreis Gladbach-Neuss gearbeitet hatte, hat nie vergessen, was diese Zeit als Austauschschüler für ihn bedeutet hat: "Ich besuchte in Stolberg die Realschule, war kein besonders guter Schüler. Die Lehrer in den USA haben mich motiviert und gefördert." Er habe als Junge aus einer armen Familie sehr viel Unterstützung und Solidarität erfahren: "Einmal wurde für mich gesammelt, damit ich mir ein Telefongespräch nach Hause leisten konnte", erinnert sich Ulrich. Er habe sehr schnell erkannt, dass die Menschen in den USA sehr viel wohlhabender waren als die Deutschen damals. Was ihn besonders beeindruckt hatte: "Man war den Deutschen gegenüber voll auf Versöhnungskurs. Ich hatte Kontakt zu einer jungen Jüdin - sie war ebenso freundlich zu mir wie ihre Eltern - das war nicht selbstverständlich 18 Jahre nach dem Holocaust."

Die Eltern von Jim Shenk waren Methodisten - der Sonntagsgottesdienst dauerte an die fünf Stunden, war aber sehr lebendig: "Da wurde gebetet und diskutiert." Und dass die Amerikaner unkultiviert sein sollen, kann Werner Ulrich seit 1963 niemand mehr erzählen: Lässiges Kaugummikauen galt dort schon damals als verpönt, und die Amerikaner hörten gerne klassische Musik." "He liked to take", "er redete gern": So erinnert sich Jim Shenk an Werner Ulrich. "Ich habe viele Vorträge über Deutschland gehalten, war sozusagen "The Voice of Germany", erklärt der 70-Jährige mit einem Lächeln.

(NGZ)
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