Kaarst Ein rheinischer Ostwestfale

Kaarst · Seit nunmehr 16 Jahren lebt Florian Kehrmann in Lemgo. "Doch das Gefühl, zu Hause zu sein, verlernt man nie", sagt der Handball-Weltmeister von 2007, der gerade seiner Büttgener Heimat einen seiner selten gewordenen Besuche abstattet.

 Genießt den "Heimaturlaub", auch wenn jeden Tag vier Trainingseinheiten auf dem Plan stehen: Weltmeister Florian Kehrmann hat mit dem TBV Lemgo ein Trainingslager dort aufgeschlagen, wo er aufgewachsen ist.

Genießt den "Heimaturlaub", auch wenn jeden Tag vier Trainingseinheiten auf dem Plan stehen: Weltmeister Florian Kehrmann hat mit dem TBV Lemgo ein Trainingslager dort aufgeschlagen, wo er aufgewachsen ist.

Foto: A. Woitschützke

Der prozentuale Anteil von Weltmeistern an der Bevölkerung dürfte selten so hoch sein wie in Büttgen. Gleich vier - Berti Vogts, Florian Kehrmann, Günther Schumacher und Udo Hempel - haben ihre Wurzeln im "Sportdorf". Während die beiden Radsport-Olympiasieger immer noch dort leben, bedarf es bei den anderen schon besonderer Anlässe für einen Heimatbesuch.

Ein Trainingslager zum Beispiel. "Ich genieße es, hier zu sein", sagt Florian Kehrmann. Mit dem TBV Lemgo, den er seit Dezember vergangenen Jahres trainiert, hat der Handball-Weltmeister von 2007 seit Dienstag seine Zelte dort aufgeschlagen, wo er aufgewachsen ist: in Büttgen und Kaarst. "Es ist schön, Leute zu treffen, die man von früher kennt", sagt der 38-Jährige. Heute werden es besonders viele sein, denn um 19.30 Uhr bestreitet der Handball-Bundesligist in der Kaarster Stadtparkhalle sein erstes Testspiel der Saisonvorbereitung gegen Kehrmanns Stammverein, die HG Kaarst-Büttgen. "Hoffentlich kommen trotz Ferienzeit ein paar Zuschauer", sagt Kehrmann.

Vor 16 Jahren kehrte er Büttgen den Rücken, wechselte vom damaligen Zweitligisten Sportring Solingen nach Lemgo. Dort ist er längst heimisch geworden: "Wenn's nach mir geht, gehe ich da nicht weg", sagt er über die 41 000 Einwohner zählende Fachwerkstadt im Herzen des Lipperlandes - und das nicht nur, weil er dort mit Ehefrau Diana und den beiden Kindern ein Häuschen hat. Doch seit er quasi über Nacht vom Co- zum Cheftrainer aufgestiegen ist, den TBV vom letzten Tabellenplatz noch zum Klassenerhalt führte, gibt er sich in dieser Hinsicht keinen Illusionen hin: "Es wäre ja blauäugig von mir, zu glauben, ich könnte immer in Lemgo bleiben", sagt der Linkshänder, der für seinen Verein in 460 Bundesligaspielen 1846 Tore vornehmlich von Rechtsaußen erzielte. Erst einmal besitzt er einen Vertrag bis zum Ende dieser Spielzeit - was ihn allerdings nicht daran hindert, sich gedanklich bereits mit der Saison 2016/17 zu beschäftigen.

Heimisch fühlt er sich in Lemgo zwar, als Ostwestfale aber nicht: "Seine Mentalität legt man nie ab", sagt Florian Kehrmann überzeugt, er sieht sich deshalb weiterhin als Rheinländer, "wobei das alles ohnehin Klischees sind, dass jeder Rheinländer fröhlich und jeder Westfale stur ist. Ich kenne da genügend Gegenbeispiele." Er selbst strahlt inzwischen große Ruhe und Gelassenheit aus, Eigenschaften, die im Trainergeschäft sicher nicht die schlechtesten sind.

Nach einem halben Jahr auf der Trainerbank weiß Florian Kehrmann, worauf er sich eingelassen hat: "Das ist ein knallharter Job, der fordert einen mental sehr stark. Auch an den Tagen, wo man eigentlich frei hat, ist es schwer, gedanklich abzuschalten." Und freie Tage sind noch seltener geworden als in seiner aktiven Karriere. "Meine Frau und die Kinder sind öfter in Büttgen als ich", sagt Kehrmann. Um so mehr freut er sich, in dieser Woche Beruf und "Heimaturlaub" unter einen Hut zu bringen. Nach vier Trainingseinheiten am Tag gönnt er sich abends auch mal ein Bier mit Vater Helmut und Muter Marlies: "Das Gefühl, zu Hause zu sein, verlernt man nie." Auch nicht nach 16 Jahren in Ostwestfalen.

(NGZ)
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