Kaarst Ein Engel mit Schere und Rasiermesser

Kaarst · Die "Barber Angels" schneiden Hilfsbedürftigen kostenlos die Haare. Claudia Wimmers mit ihrem Salon in Büttgen macht mit.

 Sie schneidet nicht nur die Haare ihrer zahlenden Kunden in ihrem Salon: Claudia Wimmers gehört zu den Barber Angels und verhilft Obdachlosen zu einer gepflegten Frisur.

Sie schneidet nicht nur die Haare ihrer zahlenden Kunden in ihrem Salon: Claudia Wimmers gehört zu den Barber Angels und verhilft Obdachlosen zu einer gepflegten Frisur.

Foto: LBER

Engel haben Flügel. Oder sie sind gelb, wenn sie im Auftrag eines Automobilclubs unterwegs sind. Seit November 2016 gibt es eine neue Art von Engeln. Sie sind mit Schere, Rasierapparat und Rasiermesser unterwegs und schneiden Obdachlosen einmal im Monat kostenfrei die Haare: Das sind die Mitglieder der Barber Angels Brotherhood, was so viel wie die "Bruderschaft der Friseur-Engel" bedeutet. Gegründet hat sie der Eventfriseur Claus Niedermaier aus Biberach, der auch Schauspielern der "Lindenstraße" oder Tatortkommissaren die Haare macht. Seit Mai 2017 ist auch Claudia Wimmers mit bei den Friseur-Engeln dabei. Sie ist ausgebildete Friseurin, kommt aus Mönchengladbach, wohnt in Kleinenbroich und hat ihren Friseursalon in Büttgen.

Als sie das erste Mal von den Barber Angels gehört und auf einer Friseurmesse Kontakt mit ihnen aufgenommen hatte, war sie direkt überzeugt: "Endlich gleichgesinnte Friseure, die so ähnlich empfinden wie ich", hatte sie gedacht. Zumal ihr die Idee nicht fremd war: Vor einigen Jahren hatte sie bereits Obdachlosen am Mönchengladbacher Bahnhof kostenlos die Haare geschnitten. "Damals hatte ich meinen Vater vor der Obdachlosigkeit bewahrt und bin so auf die Menschen aufmerksam geworden", erklärt sie ihre Motivation. Berührungsängste kannte sie also nicht, als sie als Barber Angel zu ihrem ersten Einsatz nach Stuttgart reiste. Skepsis habe es eher auf Seiten der Hilfsbedürftigen gegeben, erinnert sie sich: "Sie waren zuerst misstrauisch, weil sie etwas umsonst bekommen sollten. Doch dann brachen Dämme, und sie erzählten ihre Lebensgeschichten." Es habe sie sehr berührt zu erfahren, wie schnell Menschen, die zuvor berufstätig waren, durch einen Schicksalsschlag obdachlos werden können.

Die Dankbarkeit der Obdachlosen hat sie überrascht: "Ich war noch Stunden später von dem Gefühl berauscht, dass sie sich nach dem Haarschnitt so gut gefühlt haben. Das war Gänsehaut-Feeling pur", sagt sie. Wobei ihr eines besonders wichtig ist - die Hilfsbedürftigen mit dem gleichen Respekt zu behandeln, den sie ihren Kunden im eigenen Salon entgegenbringt. Den betreibt die alleinerziehende Mutter einer fast erwachsenen Tochter seit Anfang 2011 in Büttgen. Stets mit im Salon sind ihre beiden Hunde, der Shih Tzu-Rüde Buddy sowie ein halbblinder ungarischer Hirtenhund, der Komondor-Rüde Malfoeu, den sie aus dem Tierschutz hat. Denn für den Tierschutz engagiert sich Claudia Wimmers auch.

Einmal im Monat ist sie jetzt als Barber Angel unterwegs. Dann trifft sie sich mit anderen Mitgliedern des Clubs in einem Sozialcafé oder Wohnheim einer größeren Stadt. "Ich kann keinem Obdachlosen helfen", sagt sie, "aber ich kann ihm durch ein gepflegtes Aussehen etwas Würde und Selbstbewusstsein zurückzugeben und ihm ein neues Lächeln schenken." Der nächste Termin ist für sie fast ein Heimspiel. Am 18. Juni kommen die Barber-Angels nach Düsseldorf.

(NGZ)
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