Theaterverein Kaarst im Tuppenhof Beeindruckender Abend mit Goethes Faust

Vorst · Der Theaterverein Kaarst bringt den ersten und den zweiten Teil des großen Dramas an einem Abend auf die Bühne.

 Drei Stunden Theater bot das Ensemble des Theatervereins Kaarst, das im Tuppenhof nacheinander „Faust I“ und „Faust II“ zeigte.

Drei Stunden Theater bot das Ensemble des Theatervereins Kaarst, das im Tuppenhof nacheinander „Faust I“ und „Faust II“ zeigte.

Foto: Stefan Büntig

Im Kaarster Tuppenhof ist die Spannung überall spürbar. Bereits eine Stunde vor der Premiere von Goethes „Faust“ trudeln die ersten Gäste ein und mischen sich mit den Darstellern. Man kennt sich untereinander, vor allem aber kennt man den 84-jährigen Regisseur Wilhelm Schiefer. Für ihn gibt es zahllose Umarmungen und herzliche Begrüßungsworte. Schließlich war ein nicht unerheblicher Teil des Publikums in den vergangenen Jahrzehnten selbst einmal Teil des Kaarster Theatervereins. Dessen Vorsitzender Uli Caspers wird in „Faust I“ den älteren Gelehrten spielen, lässt aber keine Zweifel darüber aufkommen, wer der Genius Loci ist: „Ein besonderer Dank gilt Wilhelm Schiefer, der uns Laienschauspielern eine wertvolle Hilfe ist“.

Knapp drei Stunden soll der Abend dauern, mit einer Pause. Die Sitzplätze in der Scheune des Tuppenhofs im Stadtteil Vorst sind bequem, in der abgestuften Höhe gut eingerichtet und mit mehr Beinfreiheit als in den meisten Stadttheatern. Man wird es also aushalten können, das „große Spiel der Welt“ und dann „reicher in sich selbst“ zurückkehren. Das Zitat stammt zwar von Schiller, doch vor allem im „Faust I“ werden die Zuschauer mehr geflügelte Worte zu hören bekommen als bei irgendeinem anderen deutschen Klassiker.

Und schon geht es los: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen.“ Auf der sparsam, beinahe karg eingerichteten Scheunenbühne erscheint eine Dame in rotem Kittelkleid. Sie wird „Zwischentexte“ sprechen, vor allem in „Faust II“, um dem Publikum eine Orientierungshilfe in der stark gekürzten Spielfassung zu geben. Ille Mularsk, die Dame in Rot, ist Teil einer 40-köpfigen Spielschar, unter welcher der Regisseur die 70 Rollen des Goetheschen Dramas aufgeteilt hat. „Besonders freut es uns, dass vier junge Menschen aus einer syrischen Flüchtlingsfamilie dabei sind“, betont Uli Caspers.

Die große Rollenzahl ist vor allem dem zweiten Teil des Dramas geschuldet, aber fast alle Mitspieler schauen sich auch den „Faust I“ an. Man erkennt sie leicht an ihren historischen Kostümen, für deren Anfertigung laut Programmheft mehrere Familien tätig waren.

Natürlich gibt es auch Hauptrollen an diesem wirklich beeindruckenden Abend. Zu nennen ist hier vor allem Daniela Frimmersdorf als Mephistopheles. In ihrem schwarzen, hübsch mit viel rot verbrämten Kostüm beherrscht sie das Geschehen. Souverän in ihrer gewaltigen Textmenge, lockt sie ihre Opfer wie ein Springteufel in alle Verführungsecken der Tenne. Kein Wunder also, dass sie auch für die Choreografie der Spielschar verantwortlich ist.

Nicht weniger präsent ist Helen Sheena Wolf als anrührendes Gretchen.  Für sie hat Wilhelm Schiefer im zweiten Teil passenderweise die Rolle einer Büßerin vorgesehen. Nach gut anderthalb Stunden mit Videotechnik, Nebelmaschine und sogar einem richtigen Degen-Duell verkündet der Spielleiter eine Pause: „Aber nur 15 Minuten, wir haben noch viel vor.“ Das Faust-Projekt hat ihm eine Menge abverlangt: „Aber als Nächstes bringe ich eine lustige Commedia dell’Arte auf die Bühne.“

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