Carola Frisch geht in Neuss in Rente Die Politik-Beobachterin

Neuss · Ein Mandat hat Carola Frisch nie angestrebt, aber als Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion war sie auch mehr als ein teilnehmender Beobachter. Sie geht in der Überzeugung, dass die Grünen auf dem Weg zur wichtigsten Partei sind.

 Carola Frisch leitet seit 27 Jahren die Fraktionsgeschäftsstelle „Die Grünen“. Jetzt geht sie in den Ruhestand.

Carola Frisch leitet seit 27 Jahren die Fraktionsgeschäftsstelle „Die Grünen“. Jetzt geht sie in den Ruhestand.

Foto: Andreas Woitschützke

Politische Willensbildung ist ein aktiver Prozess. In diesem Getriebe kommt den Fraktionsgeschäftsführern eine große, oft nicht nur organisatorische Bedeutung zu. Carola Frisch kennt das Geschäft so gut wie kein anderer in Neuss, denn sie leitet das Büro von „Bündnis 90/Die Grünen“ schon 27 Jahre. „Demokratie“, sagt die dienstälteste Büroleiterin im Politikbetrieb, „ist ein hohes Gut.“ Das aber musste sie lernen. Denn aufgewachsen ist die 63-Jährige – wie sie mit Nachdruck sagt – in einer Diktatur.

Als die Thüringerin 1992 zu den Grünen stieß, suchte sie einen Job und die Grünen eine Mitarbeiterin. Ein „grünes Häuflein“ sei das damals gewesen, sagt Frisch, in dem seit 1999 der Flügel der Realpolitiker um den seitdem amtierenden Fraktionsvorsitzenden Michael Klinkicht die Oberhand hat. Ohne diese Entwicklung hätte sie nicht so lange auf ihrem Posten ausgehalten, sagt Frisch, die für ihren Chef Klinkicht – rein dienstlich, natürlich – richtig schwärmen kann. Der habe den politischen Instinkt und die ausgleichende Art wie Heinz Günter Hüsch einst bei der CDU und wäre, da ist sie ganz sicher, auch ein guter Bürgermeister.

Dass er dann nicht mehr Fraktionsvorsitzender und damit Chef in der Geschäftsstelle wäre, könnte Frisch heute verkraften. Ende August nämlich räumt sie ihren Schreibtisch und arbeitet schon Kerstin Wilke als ihre Nachfolgerin ein. Sie geht in der Überzeugung, dass die Grünen ihren Weg machen. „Aus der Rolle derer, die als Opposition gegen etwas sein mussten“, hätten sich die Grünen befreit. Jetzt, ergänzt sie, sehe sie die Grünen „auf dem Weg, die wichtigste Partei zu werden“. In vier Wahlkreisen lagen die Grünen bei der Europawahl vor der CDU, und gerade bei den jungen Wählern in Neuss sei ein steigender Zuspruch zu beobachten: „Die Jugend fühlt sich mit ihren Sorgen bei den Grünen gut aufgehoben.“

Anders als Marcel Stepanek, in der schwarz-grünen Ratskoalition ihr verlässlicher Gegenpart auf seiten der CDU, versteht sich Frisch nicht als politische Geschäftsführerin. Etatreden für den Fraktionsvorsitzenden schreibe der eh selber besser, aber auch Anträge hat sie noch nicht formuliert. Das sei Sache der Fraktionsmitglieder, deren Sitzungen – „Wir tagen öfter und länger als die CDU“ – sie als Protokollchefin nur vor- und nachbereitet. „Da bekomme ich meine Aufträge.“ Aber ohne Einfluss ist Frisch mit ihrer ausgleichenden Art nicht.

Als Kind der DDR habe sie gelernt, sagt Frisch, dass zur Demokratie die freie Rede genauso gehört wie die Fähigkeit zum Kompromiss. Wie das in der Praxis funktioniert, beobachte sie besonders gut seit die Grünen mit der CDU eine Koalition bilden und im Rat eine gestaltende Rolle spielen. Diese Fraktion habe wenig mit den Grünen gemein, die sich – wie sie selbst ja auch – an der Stadthalle an Bäume fesselten, um den Bau des Dorint-Hotels zu verhindern. Die Grünen seien in der Realität angekommen und können Anträge, die – anders als bei der CDU früher – nie ihren geistigen Urheber im Rathaus hatten, endlich umsetzen. „Viele Dinge wie etwa mehr Gleichberechtigung für die Radfahrer im Verkehr sind nur passiert, weil sich die Grünen darum gekümmert haben.“

Beobachten muss sie aber auch, dass die Zusammenarbeit mit dem Rathaus unter Bürgermeister Reiner Breuer für die Grünen schwieriger ist als unter Herbert Napp. „Das hätten wir nicht gedacht“, sagt Frisch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort