Jüchen Zocken für die Gemeindekasse?

Jüchen · Jüchen erwägt die Ansiedlung von Spielhallen, um rund 50 000 Euro im Jahr aus der Vergnügungssteuer einzunehmen. Experten warnen: Spielhallen fördern vor Ort die Gefahr von Spielsucht und Beschaffungskriminalität.

Es ist bisher nur ein Posten im Haushaltssicherungskonzept. Wenn Jüchen Spielhallen im Gemeindegebiet ansiedelt, könne die Gemeinde mit Einnahmen aus der Vergnügungssteuer rechnen.

Und zwar um bis zu 50 000 Euro im Jahr. Doch offenbar ist die Idee schon weiter gereift. "Konkret gibt es interessierte Gewerbetreibende, die Interesse an der Ansiedlung innerhalb der Gemeinde Jüchen haben", heißt es im Entwurf des Haushaltssicherungskonzeptes, den die Verwaltung im Dezember vorlegte.

"Die Ansiedlung solcher Spielhallen ist grundsätzlich in Mischgebieten zulässig. Sollten gegebenenfalls Standorte in den Siedlungsschwerpunkten Jüchen und/oder Hochneukirch gefunden werden, könnten Mehrerträge von rund 50 000 Euro im Jahr erwartet werden."

Rechtlich einwandfrei

Korschenbroich ist gerade dabei, sich mit allen Mitteln gegen eine Spielhalle an der Mühlenstraße am Ortseingang zu wehren. Ein entsprechendes Gutachten soll in Auftrag gegeben werden, um die Genehmigung verweigern zu dürfen.

Jüchen indes erhofft sich Einnahmen aus solchen Betrieben. Rechtlich ist das einwandfrei, denn Geldspielautomaten gelten nicht als Glücksspiel, sondern als Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, als ein Unterhaltungsspiel. Vermögenswerte stünden nicht auf dem Spiel, so der Gesetzgeber.

Dabei warnen Experten davor, sich Spielhallen in den Ort zu holen. "Es werden Geldspiele angeboten, die ein hohes Suchtpotenzial haben. 80 Prozent aller Spielsüchtigen kommen aus Spielhallen", sagt Professor Gerhard Meyer von der Uni Bremen. Er leitet das dortige Institut für Psychologie und Kognitionsforschung und ist einer der führenden Spielsucht-Experten in Deutschland.

Nach seinen Erkenntnissen stammten 56 Prozent der Spielhallen-Umsätze von Spielsüchtigen. Und im Umfeld einer Neuansiedlung steige auch deutlich die Gefahr der Spielsucht. "Für ortsansässige Bürger steigt die Verfügbarkeit. Ständige Verfügbarkeit führt dazu, dass Spieler ein Suchtverhalten entwickeln und zu problematischen oder pathologischen Spielern werden", sagte Meyer auf Anfrage unserer Zeitung.

Er fordert, Geldspielgeräte als Glücksspiel einzustufen: "Man kann über ein Punktesystem in einem Spiel tausende Euro gewinnen. Das sind Vermögenswerte." Bei einem seiner Versuche schaffte es ein Testspieler, einen durchschnittlichen Monatslohn von 1450 Euro binnen fünfeinhalb Stunden an einem Automaten zu verzocken.

Überdies sei ein zentrales Merkmal von Spielsucht auch die Beschaffungskriminalität, die im Umfeld von Spielhallen ansteige. Meyer meint: "Wenn man die Folgekosten für Therapieangebote und Strafverfolgungskosten berücksichtigt, sehe ich Spielhallen aus dem Blickwinkel der Suchtprävention sehr kritisch."

(RP)
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