Jüchen Landrat fordert Jodtabletten-Kontingent an

Jüchen · Bisher weiß niemand in Jüchen und beim Rhein-Kreis, wie bei einem Störfall der belgischen Atomkraftwerke die Bevölkerung geschützt werden kann. Jodtabletten hat das Land NRW noch nicht, Mediziner sehen sie ohnehin kritisch.

Sollte es einen Störfall in den anfälligen belgischen Atomkraftwerken im Großraum Jüchen geben, dann dürfte sich dieser Gau möglichst nicht vor dem Herbst dieses Jahres ereignen. Denn erst dann will das Land NRW die Beschaffung von Jodtabletten abgeschlossen haben. Das geht aus einer Informationsschrift hervor, die dem Kreisausschuss des Rhein-Kreises Neuss jetzt vom Landesinnenministerium vorgelegt wurde. Jüchen liegt in der sogenannten Außenzone der belgischen Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3. In dieser Zone müssen alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre sowie Schwangere in möglichst kurzer Zeit mit Jodtabletten versorgt werden.

Diese sollen eine Jodblockade aufbauen und damit vor Krebs durch radioaktive Strahlen schützen. Nicht möglich ist aber ein genereller Schutz. Jodtabletten können nach Darstellung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DEG) lediglich vor Schilddrüsenkrebs, nicht aber vor anderen Krankheitsbildern schützen, die nach dem Kontakt mit radioaktiven Stoffen auftreten können.

Darunter seien auch andere Krebsarten. Laut DEG sei es unerlässlich, auch den Rest des Körpers, vor allem Haut und Schleimhäute vor dem Kontakt mit radioaktiven Stoffen zu schützen. Ratsam sei die Anschaffung eines Ganzkörperanzugs, einer Atemschutzmaske mit besonders guten Filtern und einer Schutzbrille.

In Jüchen hat aber bisher auch die Feuerwehr als Katastrophenschutzinstitution nicht das Geringste an konkreten Details über die von der Bundesstrahlenschutzkommission vorgeschriebene Verteilung von Jodtabletten an die Bevölkerung. Feuerwehr-Chef Heinz-Dieter Abels signalisiert im Gespräch mit unserer Redaktion zwar Bereitschaft zu helfen: "Wenn uns der Kreis um Unterstützung bei der Verteilung von Jodtabletten anfragt, werden wir uns natürlich nicht sperren. Wir haben aber bisher null Informationen," sagt Abels. Aber auch Bürgermeister Harald Zillikens hat nach eigenen Angaben nach wie vor keinerlei Kenntnis, wann die Jodtabletten angeliefert, wo und wie sie eingelagert und vor allem, wie sie an die Bevölkerung verteilt werden sollen. Er sei aber in engem Kontakt mit dem Landrat, betont Zillikens.

Um das Kontingent abschätzen zu können, hatte der Rhein-Kreis die Gemeinde Jüchen bereits aufgefordert, die aktuelle Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 18 zu melden. Schwangere lassen sich natürlich nicht verlässlich beziffern. Jüchen hat immerhin 4000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre beim Kreis gemeldet.

Zillikens befürchtet indes, dass sich eine Art von Hysterie um die Jodtablettenverteilung verbreitet, wo er das Problem doch an anderer Stelle sieht: "Die Wurzel des Übels sind die belgischen Kernkraftwerke. Da muss sich Europa einsetzen, dass die abgeschaltet werden", fordert der Jüchener Gemeindechef erneut. Jüchen sei von den Kommunen des Rhein-Kreises Neuss am nächsten an diesen maroden Atomkraftwerken gelegen und werde natürlich alle Schutzmaßnahmen erfüllen, wenn sie bekannt gegeben würden. "Alles ist und bleibt aber nur ein Strohhalm der Hoffnung, solange die belgischen AKWs nicht abgeschaltet werden", sagt Zillikens.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hat übrigens vor wenigen Tagen NRW-Innenminister Ralf Jäger angeschrieben: Im Zusammenhang mit den gravierenden Betriebsstörungen in den belgischen Atomkraftwerken Tihange und Doel bereite sich auch der Rhein-Kreis Neuss auf eine mögliche Gefahrenlage vor. Dabei habe die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten besondere Bedeutung: "Ich halte es nicht für vertretbar, die Jodtabletten erst zu einem Zeitpunkt auszugeben, wenn in den Atomkraftwerken bereits der Störfall eingetreten ist", schreibt der Landrat dem Minister und fügt hinzu: "Zum Schutz vor radiaktiver Strahlung ist es meines Erachtens unbedingt geboten, die Jodtabletten bereits vorab an den entsprechenden Bevölkerungsteil auszuteilen", fordert der Landrat das für den Rhein-Kreis bestimmte Tablettenkontingent sofort an.

(NGZ)
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