Das Rheinische Revier vor dem Kohleausstieg Jüchen steht vor dem zweiten Strukturwandel

Das Ende der Textilindustrie ist noch in Erinnerung. Nun gehen bald durch den Kohleausstieg erneut viele Arbeitsplätze verloren.

 Der Tagebau Garzweiler in Fischaugenoptik.

Der Tagebau Garzweiler in Fischaugenoptik.

Foto: Stadt Jüchen

Bürgermeister Harald Zillikens ist einer der wenigen, die wissen, was ein Revierknoten ist: „Das ist nichts anderes als ein Arbeitskreis“, sagt er. In zwei von sieben Revierknoten arbeitet Zillikens ebenso wie der Jüchener Stadtplaner Tim Stein mit. Der nahende Kohleausstieg, dessen tatsächliche „Deadline“ für das Rheinische Revier noch nicht feststeht, und der Strukturwandel sind für Jüchen das große Thema.

„Unsere Generation erlebt in kurzer Zeit nach dem Ende der Textilindustrie zum zweiten Mal einen Strukturwandel“, sagt Zillikens. Dabei weiß auch RWE noch nicht, wie viele Arbeitsplätze in den Kraftwerken und im Tagebau wegfallen werden. RWE-Sprecher Guido Steffen sagt: „Das Paket der Empfehlungen im Kommissionsvorschlag ist noch nicht umgesetzt; die Gespräche laufen noch, das Gesetzgebungsverfahren hat noch nicht begonnen. Umfang und Termine von Stilllegungen sind also noch nicht klar, so dass man auch noch nicht sagen kann, welche Funktion wo und ab wann entfallen kann.“ Und Zillikens sorgt sich, dass die AfD ähnlich wie jetzt bei den Wahlen in Ostdeutschland durch den Strukturwandel einen möglichen Nährboden in der Unzufriedenheit von Menschen finden kann, die sich dann womöglich benachteiligt fühlen. Mit umso mehr Nachdruck verfolgt er deshalb auch die Entwicklung des interkommunalen Gewerbegebietes mit Grevenbroich, wobei es besonders wichtig sei, dass dort nicht nur Logistikfirmen, sondern vor allem auch produzierendes Gewerbe mit den entsprechenden Arbeitsplätzen angesiedelt werde.

Nach Zillikens’ Vorstellung soll für dieses interkommunale Gewerbegebiet, in Abstimmung mit Grevenbroich, die gleiche Art von Vertrag geschlossen werden wie für das Gewerbegebiet Mönchengladbach-Jüchen: „Die Stadt zahlt einmal 20 Prozent der Erschließungskosten und bekommt dann jedes Jahr 20 Prozent der Ertragsergebnisse. So gewinnen wir auf Dauer an Gewerbesteuern.“ Mit der Stadt Grevenbroich hofft er auf eine gleichmäßige 50:50-Aufteilung der Erträge aus dem künftigen Gewerbegebiet.

Allerdings räumt Zillikens mit der Vorstellung auf, das Gewerbegebiet könne, wenn die beteiligten Städte nur ordentlich Druck machten, quasi schon morgen bebaut werden: „Da klaffen Wunschvorstellung und Realität weit auseinander“, sagt er. Wahrscheinlich sei die Realisierung nicht vor 2022 bis 2023. „Wir tun aber alles, um zu einer schnellen Entscheidung über den Flächennutzungsplan zu kommen und werden dazu, wenn nötig, auch eine Sondersitzung für den Rat einberufen“, betont der Jüchener Bürgermeister. Allerdings müssen die bereist vier von RWE beauftragten Gutachten, ebenfalls das Votum des Grevenbroicher Stadtrates und zuvor noch die Stellungnahme der Bezirksregierung eingeholt werden.

In Gesprächen ist Zillikens schon längere Zeit auch mit Straßen.NRW über die geplante Anbindung des neuen Gewerbegebietes, wofür nun auch eine Brücke gebaut werden soll. Auch dafür müsse ein Bodengutachten eingeholt werden, weiß Zillikens. Ihm sei es jetzt wichtig, für den Besatz des Gewerbegebietes möglichst schnell in Abstimmung mit Grevenbroich und RWE einen Kriterienkatalog aufzustellen, welche Branchen angesiedelt werden sollen. „Die Nachfrage wird kein Problem sein, wir müssen jetzt schon Betriebe abweisen, die sich möglichst schnell bei uns ansiedeln wollen. Aber wir haben aktuell ja keine Flächen mehr, und mit ihren Investitionen wollen und können die Unternehmer auf das neue Gebiet nur schlecht warten“, weiß Zillikens.

Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) sucht nun unter anderem zur Besetzung seiner Revierknoten mindestens 20 Beschäftigte, für die es Landesfördermittel in Höhe von 7,9 Millionen Euro gibt. Das sind laut Zillikens aber nicht die einzigen neuen Stellen, die mit Strukturhilfemitteln neu geschaffen werden. Das sei auch bei der Bezirksregierung und in den Kreisverwaltungen im Rheinischen Revier geschehen. Und er verhehlt nicht: „Wir werden auch bei den Kommunen mehr Personal brauchen, um all’ die zusätzlichen Aufgaben bewältigen zu können, die im Strukturwandel auf uns zukommen.“

Sehr unbefriedigend sei allerdings nach wie vor die Situation für die Tagebauanrainer-Kommunen, dass sie ihre Forderung nach Sitzen, Stimmen und unmittelbarer Beteiligung an der ZRR noch nicht haben durchsetzen können. „Wir Anrainer-Bürgermeister hatten schon vier Treffen und haben bekanntlich auch ein Positionspapier zu unseren Forderungen an die ZRR vorgelegt. Dem werden wir jetzt in einer Resolution noch einmal Nachdruck verleihen“, kündigt Zillikens an.

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