„Archiv to go“ in Jüchen Rundgang durch die Geschichte der Stadt

Jüchen · Beim „Archiv to go“ erfuhren die Teilnehmer viel Wissenswertes über die Historie Jüchens. Ziel des Grundgangs war unter anderem die 1904 gebaute Villa des Textilfabrikanten Max Lindgens.

 Peter Ströher mit Zeitzeugin Irmgard Coenen, die seit 87 Jahren am Marktplatz wohnt und dort als Kind den Einmarsch der Amerikaner erlebte. 

Peter Ströher mit Zeitzeugin Irmgard Coenen, die seit 87 Jahren am Marktplatz wohnt und dort als Kind den Einmarsch der Amerikaner erlebte. 

Foto: Judith Michaelis (jumi)

Für den Tag der Archive hatten sich die Verantwortlichen für Jüchen etwas Besonderes einfallen lassen: Stephen Schröder, Leiter des Kreisarchivs, sowie seine Mitarbeiter Peter Ströher und Christiane Skirde führten interessierte Bürger durch Jüchen, um die Geschichte an unterschiedlichen Orten lebendig werden zu lassen.

Los ging es an der Steinstraße 7–9. Dort befinden sich aktuell eine Kindertagesstätte und das Archiv. Der rote Backsteinbau war 1905 als Katholische Volksschule eingeweiht worden. Eine größere Schule wurde damals wegen der steigenden Schülerzahlen gebraucht. Später war dort die Hauptschule untergebracht, seit 1994 dient das Gebäude als Kindertagesstätte. Vor allem der Anbau wird als Stadtarchiv genutzt, das vom Rhein-Kreis betrieben wird.

An der Steinstraße/Ecke Odenkirchener Straße gibt es zwei Baudenkmale, die ein Stück Jüchener Wirtschafts- und Industriegeschichte widerspiegeln: Da ist die in einem Gelbton gestrichene Villa des Textilfabrikanten Max Lindgens aus dem Jahr 1904. Die Fabrik wurde bereits um 1888 auf der anderen Seite der Steinstraße als Backsteinbau mit Deko-Elementen errichtet. Dieses Gebäude dokumentiert, dass die Näherinnen zunehmend in einer Fabrik und nicht in Heimarbeit arbeiteten. Die Firma Gerresheim & Lindgens beschäftigte dort mehr als 100 Frauen. Vor Ort wurde unter anderem Anita Lindgens zitiert, die – aus einer Fabrikantenfamilie stammend – nicht mit anderen Kindern spielen durfte.

Eines der unscheinbarsten Häuser an der Odenkirchener Straße wurde bis 1998 als Rathaus genutzt. In den vergangenen Jahren wurden im Gehweg an der Odenkirchener Straße auch mehrere Stolpersteine verlegt. Sie halten die Erinnerung an Juden aus Jüchen lebendig, die emigrierten oder deportiert wurden. Vor dem Haus Odenkirchener Straße 11 wird beispielsweise auf Ernst Joseph Maler aufmerksam gemacht. Er wurde 1911 in Jüchen geboren und verstarb 1986 in Buenos Aires. Er floh 1935 zunächst nach Venlo, setzte ein Jahr später mit dem Schiff nach Paraguay über – von dort ging es nach Argentinien, wo er sich mit einer Lederhandlung selbstständig machen sollte.

Der Marktplatz war einem erheblichen baulichen Wandel unterworfen. Die Teilnehmer von „Archiv to go“ erfuhren, dass sich seit 1859 das Gemeindehaus am Markt 14 befand, dort, wo heute die Bäckerei Mattheisen ist. Eine Besonderheit, die sich bescheiden im Hintergrund hält, ist die Hofkirche von 1676. Es ist eine evangelische Kirche: „Der Jüchener Raum spielte im Zeitalter der katholischen Gegenreformation eine bedeutsame Rolle als Rückzugsort für die Anhänger des calvinistischen Glaubens“, erfuhren die Teilnehmer des Rundgangs. Bei „Archiv to go“ wurde auch über den Zweiten Weltkrieg und den Einmarsch der Amerikaner gesprochen. Zeitzeugin Irmgard Coenen, die seit 87 Jahren am Marktplatz wohnt, erinnerte sich noch genau an 28. Februar 1945.

Dann ging es zu Haus Katz. Das Gebäude wurde 1706 von Paulus Katz als Verwaltungs-, Gerichts- und Wohnsitz errichtet, und zwar auf den Grundmauern einer Vorgängerburg. 1973 erwarb die damalige Gemeinde Jüchen das Gebäude. Das Denkmal ist heute Ratssaal, Standesamt und gute Stube der Stadt. An der Rektor-Thoma-Straße ging es um den gleichnamigen Lehrer, Hauptlehrer und Rektor, der von 1904 bis 1927 an der Katholischen Grundschule unterrichtete. Er schrieb nicht nur die Chronik seiner Schule, aus seiner Feder stammt unter anderem auch das „Eiserne Buch“ mit Informationen zum Ersten Weltkrieg und der Besatzungszeit und die vom damaligen Bürgermeister Ernst Meising in Auftrag gegebene „Chronik der Gemeinde Jüchen“.

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