Jüchen Bis morgen wollen "alle" noch schnell heiraten

Jüchen · Weit und breit hat nur das Standesamt Jüchen zwischen Weihnachten und Silvester geöffnet. Den Andrang kann es kaum befriedigen.

 Standesbeamter Edgar Nölting mit dem Siegel der Gemeinde Jüchen, das auch auf die Heiratsurkunden gestempelt wird.

Standesbeamter Edgar Nölting mit dem Siegel der Gemeinde Jüchen, das auch auf die Heiratsurkunden gestempelt wird.

Foto: Lothar Berns

Hochbetrieb herrscht in den letzten Tagen des Jahres jetzt im Standesamt der Gemeinde Jüchen. Denn dort wird, im Gegensatz zu allen Kommunen im Umland, auch zwischen dem 27. und 31. Dezember noch getraut - und wie! Alleine am Silvestertag wollen sich vier Paare noch schnell das Ja-Wort geben. Zwölf sind es insgesamt, 20 mussten aber aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden, obwohl sogar der Jüchener Bürgermeister mit der Lizenz zum Verheiraten mit einspringt. "Natürlich heiraten alle Paare aus Liebe," sagt Standesbeamter Edgar Nölting schmunzelnd, fügt aber hinzu: "Es gibt aber auch noch einen Nebeneffekt. Wer bis zum Jahresende noch heiratet, kann rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 noch die steuerlichen Vorteile als Verheirateter in Anspruch nehmen."

Doch es gibt auch einen weiteren Grund, weshalb die Paare auch aus Neuss, Mönchengladbach oder Korschenbroich so gerne in Jüchen heiraten: "Wir haben mit dem Schloss Dyck, dem Nikolauskloster und dem Haus Katz eben auch die schönsten Hochzeit-Locations", sagt der 53-jährige Edgar Nölting, der seit 2002 die Paare in Jüchen traut. Wegen dieser besonderen Örtlichkeiten steige auch die Nachfrage seit Jahren spürbar, wobei vor allem die Samstagstermine im Schloss und im Kloster oft schon weit im Voraus ausgebucht seien. Dennoch versuchen Nölting und seine Kollegen, die Trauungen nicht am Fließband ablaufen zu lassen, wie er betont.

Der ehemalige Küchenmeister und Kämmerei-Mitarbeiter ist selbst seit 30 Jahren verheiratet und plant bereits ein Buch über seine außergewöhnlichen Erlebnisse rund um das so folgenreiche Wörtchen "Ja". Nölting hat Rockerhochzeiten mit Motorrad-Clubs ebenso erlebt wie Trauungen mit bayrischer Krachlederner und Volksmusik. Gothic-Paare sind bei ihm schon aufmarschiert. Und einmal haben sogar zwölf schwarze Terrier mit roten Halstüchlein Spalier gestanden, als ihre Züchterin den Bund der Ehe schloss. "Sein!" ältestes Brautpaar war um die 80; und ein Paar ist gleich zweimal - nach zehnjähriger Pause mit anderen Partnern - bei ihm aufmarschiert.

"Nein" haben zwar noch keine Braut und kein Bräutigam nach Traurede und entsprechender "Wollen Sie-..."-Frage bei Edgar Nölting geantwortet. Er erinnert sich aber an eine allzu lange "Kunstpause" eines erst 18-jährigen Bräutigams, der besonders aufgeregt gewesen sei: Der habe zuerst mal gar nichts gesagt, um dann nach einer gefühlten Ewigkeit einen Zettel mit einem großen "Ja!" aus seinem Jackett zu ziehen. Dieser "Scherz" sei aber bei der Braut nicht besonders gut angekommen, erinnert sich Nölting. Doch manchmal ist das Glück der frisch getrauten Paare nur von kurzer Dauer, wie es die ebenfalls im Jüchener Standesamt dokumentierten Scheidungen zeigen. "Die kürzeste Ehe dauerte von Freitag bis Montag. Da hatte sich der Bräutigam bei der Hochzeitsfeier mit der besten Freundin der Braut zurückgezogen", erzählt Nölting.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort