Hückeswagen "Wer die Zeit nicht einhält, fliegt"

Hückeswagen · Unfallstrecke A 1 - Tempolimits und vermehrte Kontrollen zeigen wenig Wirkung. Lkw-Fahrer beklagen den hohen Druck, dem sie ausgesetzt sind und die Rücksichtslosigkeit mancher Pkw-Fahrer.

 Viele LKW-Fahrer fühlen sich unter Druck gesetzt.

Viele LKW-Fahrer fühlen sich unter Druck gesetzt.

Foto: Pixabay

Täglich muss Baris Erduran, wie so viele, über die A1 in Richtung Leverkusen fahren. Der 40-Jährige ist Berufskraftfahrer bei einem Logistikunternehmen in Hagen. Lange vor dem Kreuz Leverkusen steht er schon im Stau, und zwar immer: "Das nervt. Aber was soll man machen?", sagt der 40-Jährige resigniert. "Man plant automatisch mehr Zeit ein und versucht, unfallfrei da durch zu kommen." Es ist Freitagmorgen, kurz nach acht, und Erduran legt einen kurzen Zwischenstopp an der Ratstätte Remscheid ein, bevor er in den Stau fährt. Der Berufsverkehr ist im vollen Gange und er weiß, jetzt könnte es länger dauern.

Die Strecke ist bei allen Berufsfahrern und Pendlern berüchtigt: Es vergeht kaum ein Tag ohne eine Unfall-Meldung. Meistens mit Lkw-Beteiligung. Vergangene Woche kontrollierte die Polizei auf der A1 nahe Leverkusen bei einer gezielten Aktion unter Einsatz von Videotechnik Lastwagen. Bilanz: Etwa 50 Lkw wurden aus dem Verkehr gezogen - einige, weil sie zu schnell unterwegs waren, andere hatten ihre Ruhezeiten nicht eingehalten. Einer fuhr ohne Führerschein, und eine handvoll Fahrer lenkte einen nicht fahrtauglichen Laster.

Nur einen Tag nach der Kontrolle kam es zum nächsten Unfall. "Mehr Kontrollen wären sicherlich nötig", sagt Ralf Vüllings. Der 57-Jährige fährt seit fast 40 Jahren Lkw und ist stellvertretender NRW-Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der Kraftfahrergewerkschaft (KFG). "Die Gewerkschaft steht auf der Seite der Polizei und begrüßt solche Kontrollen, man muss sich nur anschauen, was die Beamten dort monieren." Häufig seien es nämlich ausländische Lkw-Fahrer, die auffällig würden. "Die Kollegen stehen unter einem hohen Druck, sie sind monatelang unterwegs, ohne nach Hause zu kommen." Alkoholkonsum spiele dort auch viel häufiger eine Rolle. "Wer nicht fährt und seine Lieferzeiten nicht einhält, fliegt." Lenk- und Ruhezeiten würden daher viel häufiger nicht eingehalten. Auch Vüllings hat da oft ein mulmiges Gefühl, wenn hinter ihm ein Lkw aus Polen oder Rumänien fährt. "Da schaue ich schon öfters in die Rückspiegel, halte viel Abstand und hoffen dass der Kollege hinter mir ausgeruht ist und nicht in einen Sekundenschlaf verfällt." Um Auffahrunfälle zu vermeiden, halten die Lkw häufig doppelten Abstand ein. Der würde allerdings viel zu häufig von heransausenden Pkw-Fahrern zum Einscheren genutzt, berichten die Brummifahrer. "Dass wir mit unseren Lkw nicht über die Brücke kommen, ist schon ärgerlich, aber so ist es nun mal", sagt Erduran. "Was mich viel mehr stört ist, dass wir eigentlich in einer halben Stunde durch sein könnten, wenn sich nur alle an die Regeln halten würden." Oft seien es die Pkw-Fahrer, die bis ans Ende der Schlange durchfahren und kurz davor einscheren. "Das ist manchmal sehr knapp. Von da oben sehe ich die Autos nicht, wenn sie direkt vor meinen Lkw reinfahren. Da kommt es häufig zu brenzligen Situationen, wo ich wieder stark abbremsen muss."

Das beklagt auch Friedhelm Schmidt (57): "Ich glaube, die Autofahrer vergessen oft, dass wir große Maschinen fahren, die etwas länger zum Anfahren, aber eben auch zum Bremsen brauchen." Gegenseitige Rücksichtnahme würde sich der Berufskraftfahrer auf der Straße wünschen. "Das würde einiges erleichtern." Er fährt einmal die Woche aus dem Ruhrgebiet über die A1 zum Leverkusener Kreuz. "Zum Glück nur einmal die Woche."

Das Problem dieser Strecke, sagt Vüllings, sei vielschichtiger, und an den Unfällen seien nicht nur Lkw-Fahrer Schuld. "Die Baustelle, die Brückensperrung, nicht genügend und geeignete Rastplätze, für die Pausen der Kraftfahrer, die dann viel zu häufig am Seitenstreifen halten müssen", zählt Vüllings auf. "Dass man bei laufendem Verkehr und ohne ausreichend Schatten, in seiner Kajüte jetzt im Sommer bei 40 Grad da nicht wirklich zur Ruhe kommt, kann sich ja jeder vorstellen." Außerdem beklagt er die fehlende Rücksichtnahme zwischen den Verkehrsteilnehmern. Strukturell müsse auf der A 1 viel passieren, um die Strecke sicherer zu machen und Rückstaus zu vermeiden. "Man müsste anständig umleiten und nicht alle an dieselbe Stelle fahren lassen." Vor allem für ausländische Kollegen sei das ein Problem.

"Wer sich auskennt, fährt meist schon in Burscheid raus und umfährt weiträumig das Leverkusener Kreuz." Außerdem hält Vüllings simulierte Baustellen, damit Verkehrsteilnehmer langsamer fahren, für kontraproduktiv und künstliche Barrieren, wie die "Buckelpiste" aus Deckplatten am Kreuz Leverkusen, zudem für sehr gefährlich. "Wenn man im Dunklen da mit 60 km/h drüberfährt, dann schüttelt dass einen richtig durch, und man kann froh sein, wenn nichts abfällt."

(RP)
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