Plädoyer fürs Umdenken Diese Frau will Männern den Porsche abgewöhnen

Wermelskirchen · Aus einer Buchvorstellung macht Sina Trinkwalder ein flammendes Plädoyer für ein Umdenken. Ein Thema dabei: So gewöhne ich meinem Mann den Porsche ab.

 Sina Trinkwalder berichtete im katholischen Pfarrzentrum von St. Michael von ihren Erfahrungen.

Sina Trinkwalder berichtete im katholischen Pfarrzentrum von St. Michael von ihren Erfahrungen.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Die Gastgeberinnen der Buchhandlung van Wahden und des Weltladens haben einen schmucken kleinen Tisch vorbereitet – mit Blumen, Wasserkaraffe und einem Exemplar des neuen Buches. Aber Sina Trinkwalder wird an diesem Platz im Pfarrzentrum gar nicht Platz nehmen. Die Autorin bleibt stehen. Sie wird nicht lesen, sondern erzählen, appellieren und ein bisschen streiten. „Lesen Sie lieber selbst“, wird sie ihre Zuhörer auffordern. Zuvor erzählt sie ihre Lebensgeschichte – und die klingt wie ein flammendes Plädoyer für ein Umdenken. Weg vom Leistungsgedanken hin zum Miteinander. Den Menschen neu in den Blick nehmen, neue Fragen stellen.

Die Autorin aus Augsburg, die gerade ihr viertes Buch „Zukunft ist ein guter Ort“ veröffentlicht hat, spricht mit Dialekt und Feuer, manchmal überschlägt sie sich ein bisschen. Sie erzählt von ihrem schlechten Abitur, zwei abgebrochenen Studiengängen und der Gründung der Werbeagentur. „Damals begann ich sehr, sehr viel Geld zu verdienen“, erzählt sie. Als sie mit ihren Hochglanzmagazinen aus der Werbung auf einen Obdachlosen stieß und im Zug ein Sitznachbar darauf hinwies, dass es nicht darum gehen kann, in seiner Arbeit nur Sinn für sich selbst, aber keinen Sinn für die Gesellschaft zu sehen: Da dachte sie um.

Damals lud sie Langzeitarbeitslose per Zeitungsartikel zum Vorstellungsgespräch ein. „Was ich produzieren wollte, wusste ich nicht“, sagt Trinkwalder, „aber ich wusste, ich wollte Menschen wieder die Chance geben, dass sie abends in der Kneipe etwas zu erzählen haben.“ 700 Bewerber kamen, 40 stellte sie ein. Seitdem produziert ihr Unternehmen „Manomama“ Textilprodukte – fair und ökologisch. Heute arbeiten 150 Mitarbeiter für das Unternehmen. „Betriebswirtschaftlich sind wir unsexy“, sagt sie. Sie schreiben schwarze Zahlen, tragen sich selbst, reich werde man mit dem Sozialunternehmen nicht. „Aber volkswirtschaftlich sind wir eines der erfolgreichsten Unternehmen in Deutschland“, sagt sie. 150 Hartz-IV-Auszahlungen spare der Staat. „Das Projekt beweist, dass jeder Mensch Fähigkeiten hat, dass er nur die Zeit braucht, sie zu entwickelt und zu zeigen“, sagt Sina Trinkwalder. Manchmal wird die Autorin fast ein bisschen laut: Wenn sie sich über die Oberflächlichkeit der Menschen beklagt, ohne sich selbst zu verschonen. Wenn sie vom Versagen der Gesellschaft erzählt. „Wir müssen uns kümmern und unsere Filterblasen verlassen.“ Ihr Vorschlag lautet: Social Gaming. Spielend könne man den Männern sogar ihren Porsche abgewöhnen – und sie denkt an ein neues Handyspiel. Das könne morgens vorschlagen, das Rad statt des Autos zu nehmen. Den Schokoriegel für die vertrampelten Kalorien spendiere der Staat oder per Klick könne man sich die Belohnung für das Kinderspielplatzprojekt im Viertel gutschreiben lassen. Das Publikum freut sich über den engagierten Vortrag – auch wenn nicht jeder bis aufs Letzte überzeugt ist. Ob Social Gaming nicht Chinas Social Scoring gleiche, fragt eine Besucherin. Und wer die Spielregeln festlegen wolle?

Trinkwalder fühlt sich missverstanden. Nicht der Staat, sondern die Bürger würden Regeln festsetzen. Am Ende treten zwei Schülerinnen des Gymnasiums auf die Bühne: Was zu tun sei, um die Zukunft anzugehen, fragen sie. Sina Trinkwalder antwortet: „Macht einfach, fragt nicht und verlasst euch darauf, dass wir euch helfen. Wir brauchen jeden Einzelnen von euch.“

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