Hückeswagen Vorgezogener Abschied

Hückeswagen · Bis zur Heimreise sind’s zwar noch ein paar Tage, doch Abschied wurde schon einmal gefeiert: Für 16 Kinder aus Grebeni hatte der Freundeskreis der Tschernobylkinder am Sonntag ein Grillfest in Herweg organisiert.

Sie lachen, toben, spielen Fußball. Welches Kind von ihnen nun deutsch und welches weißrussisch ist, ist auf den ersten Blick nicht zu erahnen. Lediglich die Sprache verrät ihre Herkunft. Fast vier Wochen sind die „Tschernobylkinder“ bereits in Hückeswagen. Doch die bevor stehende Rückreise sorgte bereits für große Wehmut. „Ich bin traurig, dass Julia wieder fährt“, sagt Jana Loh (9) über ihre Gast-Schwester aus dem weißrussischen Dorf nahe des Katastrophenreaktors.

Es war das erste Mal, dass die Familie ein Kind aufgenommen hat – und auf Anhieb ein Erfolg. „Julia ist so unkompliziert, es hat alles sehr gut geklappt“, bestätigt Barbara Loh. Was der zweifachen Mutter besonders in Erinnerung bleiben wird, ist, „dass einem bewusst wird, wie gut wir es hier haben“. Vor allem Julias Freude am Essen „ist für uns so alltäglich geworden“. Tatsächlich sitzt Julia in ihrem pinken Plüschpullover an einem Tisch des Gemeindehauses und knabbert genüsslich an einer Laugenstange.

Die kleine Weißrussin freut sich. dass sie noch ein bisschen hier bleiben kann. Aber auch auf ihr Zuhause. „Am besten gefallen hat es mir im Schwimmbad, denn so etwas gibt es in meiner Heimat nicht“, sagt sie.

Überhaupt haben die Kinder hier im Bergischen viel unternommen, was in Grebeni, rund 100 Kilometer von Tschernobyl entfernt, niemals möglich gewesen wäre: Kanufahren auf der Bever, Besuch eines Zirkus’, Waffel- und Pizzaessen, Besuch des Maximilianparks in Hamm und noch viel mehr. Die Gastfreundschaft der Hückeswagener schien dabei kein Ende zu nehmen.

Der Höhepunkt dieses Jahr war allerdings ein Rundflug übers Bergische Land. Die Augen von Valentina Nikitenko strahlen jetzt noch, wenn sie daran zurückdenkt. Die 29-jährige Lehrerin hat die Kinder in die Schloss-Stadt begleitet. „Aber ich freue mich jetzt natürlich wieder auf meinen Mann zu Hause“, stellt sie klar.

Alle Beteiligten ziehen ein positives Fazit. Vor allem sind viele Familien überrascht, wie umgänglich die Kinder waren, wie zufrieden sie wirkten. „Man konnte ihm anmerken, wie glücklich er ist“, berichtet Reinhard Mohncke über seinen Gast. Er selbst hat vier Söhne – „einer mehr oder weniger fällt da kaum auf“, berichtet der 33-Jährige lachend. „Es war so schön zu helfen, ihm einfach etwas Gutes zu tun“, fügt der Familienvater hinzu. Sein kleiner Sohn Boas hatte ebenfalls Spaß an dem Besuch. So spielte er mit seinem Gastbruder Playmobil, sie fuhren zusammen Trampeltrecker oder hüpften im Garten auf dem Trampolin.

Verständigungsprobleme gab es (fast) keine. „Die Kinder reden drauf los und verstehen sich einfach irgendwie“, hat Reinhard Mohncke festgestellt. Nach anfänglicher Ungewissheit ist er sich sicher: „Ich würde immer wieder ein Kind aufnehmen.“

(RP)
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