Hückeswagen Versuchter Totschlag — Freispruch

Hückeswagen · "Früher nannte man das einen Freispruch Zweiter Klasse." Dieser Satz in der Urteilsbegründung von Armin Lührs zeigte: Dem Richter waren in einem Fall von versuchten Totschlags die Hände gebunden.

Einem 29-jährigen Türken aus Hückeswagen warf die Staatsanwaltschaft neben weiteren Delikten Folgendes vor: Anfang Juli soll er in Radevormwald mit einem Auto auf dem Hausgrundstück auf fast 50 km/h beschleunigt haben, um dann frontal auf eine Sitzgruppe zuzufahren. Dort saßen zwei Männer, die sich nur mit einem Sprung in den Hauseingang in Sicherheit bringen konnten. Dann habe er mit dem Wagen vor dem Wohnzimmerfenster gestanden und gedroht, dass er die beiden Männer umbringen werde.

Zwei Wochen zuvor war der Angeklagte laut Staatsanwalt schon einmal auf ähnliche Weise ausgerastet. Dabei soll er zu dem Asylbewerberheim in Hückeswagen an der Kölner Straße gefahren sein, wo seine Schwiegermutter lebt. "Dort schlug er mit Hilfe eines Werkzeuges sämtliche Scheiben eines dort abgestellten Autos ein", hieß es in der Anklageschrift. Eine Stunde später sei er zurückgekehrt, habe randaliert und sei in das Haus eingedrungen. Dort habe er ein Messer aus der Tasche gezogen und geschrieen: "Ich stech' Dich ab!"

Nachdem verschiedene Familienangehörige — unter anderem seine von ihm getrennt lebende Ehefrau — ihre Aussage vor der Polizei gemacht hatten, kam es gestern zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Wipperfürth, wobei der Angeklagte nichts zu den Vorwürfen sagte.

Dann die große Überraschung: Kaum einer der geladenen Zeugen wollte etwas sagen, so dass die Hintergründe der Ereignisse unklar blieben. Sie beriefen sich dabei als Familienangehörige auf ihr Aussageverweigerungsrecht, über das sie vorher vom Richter informiert worden waren. Das Gericht hatte extra zu diesem Termin zwei Zeugen aus Ankara eingeladen. Diese hatten sich in ein Flugzeug gestzt — um im Zeugenstand zu schweigen.

Auch bei der Aufklärung des Vorfalls am Asylbewerberheim kam das Gericht gestern nicht weiter. Zwar machten zwei Anwohner, die das Geschehen aus ihrer Wohnung heraus verfolgen konnten, ihre Aussage. Doch konnten sie den Angeklagten nicht eindeutig identifizieren. Nun sollen in den Verfahren wegen Sachbeschädigung zu einem späteren Zeitpunkt noch zwei Polizeibeamte gehört werden.

Im Fall des versuchten Totschlags blieb dem Richter jedoch nichts anderes übrig, als den 29-Jährigen "aus Mangel an Beweisen" freizusprechen.

(RP)
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