Hückeswagen Strafgefangene Thema in Friedenskapelle

Hückeswagen · Stefan Richert geht ohne Vorbehalte auf Sträflinge zu. "Ich lese im Vorfeld grundsätzlich keine Akte", sagte der evangelische Pfarrer und Seelsorger in der Wuppertaler Justiz-Vollzugsanstalt (JVA) Vohwinkel am Sonntag beim Sommerfest des Freundeskreises der Friedenskapelle Voßhagen. Bei sommerlichen Temperaturen waren knapp 50 Zuhörer in die Friedenskapelle gekommen, um durch den Vortrag des Gefängnis-Seelsorgers interessante Fakten, mit denen "Otto-Normal-Verbraucher" im Alltag kaum Berührungspunkte hat, zu erfahren.

Besucherin Brigitte Müller aus Lennep sagte denn auch nach Richerts einstündigem Bericht beim Sommerfest mit Kölsch, Kaffee und Kuchen im Gespräch mit der BM: "Der Vortrag war sehr lebendig und lebensnah und zeugte von einer ungeheuren Liebe zu den Menschen." Sie teilt die Auffassung Richerts und betonte: "Die Erfahrung zeigt: Religiöse Erziehung zahlt sich aus."

Der 51-jährige Pfarrer hatte zuvor darauf abgehoben, wie Straffälligkeit zu verhindern ist. In seinen Augen gehöre dazu religiöse Erziehung, das Lehren von "was richtig und was falsch ist" durch Eltern und Pädagogen. Ebenso müsse die Gesellschaft beispielsweise darüber nachdenken, wie Drogenabhängige zu entkriminalisieren seien. "Im Gefängnis in Vohwinkel hat mehr als die Hälfte der Insassen mit Drogen und Beschaffungskriminalität zu tun", berichtete Richert, der dort seit knapp acht Jahren als Seelsorger tätig ist. Die JVA Vohwinkel verfügt über 500 Plätze, darunter 18 im Hochsicherheitstrakt, von denen zurzeit 400 belegt sind.

Für Pfarrer Stefan Richert, der im Gefängnis neben Einzelgesprächen auch Bibelkreise und Gruppen zur Gottesdienst-Vorbereitung führt, ist klar, was für ihn "Brücken baut", um die Gefangenen zu erreichen: "Das Prinzip ,Handauflegen und Heilen' funktioniert nicht", betonte er. Aber er nehme die Menschen wie sie seien und trete ihnen freundlich entgegen. "Ich bringe den Insassen eine normale Wertschätzung ohne Vorbehalt als Geschöpf Gottes entgegen - ich klopfe an die Zellentür und sage ,Guten Tag'. So etwas sind die Gefangenen in diesem Umfeld nicht gewohnt, dadurch öffnet sich mir meist ein Zugang von Mensch zu Mensch."

50 bis 70 Männer besuchen laut Richert in der JVA Vohwinkel regelmäßig die Gottesdienste und beteiligen sich aktiv an der Vorbereitung "Das ist eine stattliche Zahl", sagte er erfreut. So hatte der Gefängnis-Seelsorger zur Andacht eingangs seines Vortrags in der Friedenskapelle das Lieblings-Kirchenlied "seiner" Gefangenen mitgebracht und mit den Anwesenden angestimmt: "Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns. . ."

(sng)
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