Diskussion um das soziale Pflichtjahr In Hückeswagen Idee des Bundespräsidenten stößt auf Zustimmung

Hückeswagen · Städtische Entscheidungsträger und Verantwortliche der sozialen Einrichtungen in Hückeswagen sprechen sich für eine Einführung aus und stimmen damit der Idee des Bundespräsidenten zu.

Für prägende Lebensfahrungen und gesellschaftlichen Zusammenhalt: Die Idee eines Pflichtjahres erntet in Hückeswagen Zustimmung.

Für prägende Lebensfahrungen und gesellschaftlichen Zusammenhalt: Die Idee eines Pflichtjahres erntet in Hückeswagen Zustimmung.

Foto: RP/Thomas Hanewinkel

Der politische Gegenwind ist stark. Juristische Hürden scheinen auf den ersten Blick unüberwindbar. Dennoch hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an seiner Idee eines sozialen Pflichtjahres unbeirrt fest. Kanzler Olaf Scholz hält ein solches Vorhaben für verfassungswidrig, die FDP lehnt den Vorschlag strikt ab, und die Grünen wollen stattdessen den Freiwilligendienst stärken. Aber laut einer Bertelsmann-Umfrage spricht sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bevölkerung für eine Einführung einer flexibel gestaltbaren Pflichtzeit unabhängig vom Alter aus. Auch in Hückeswagen scheinen Stadtverwaltung, Kultureinrichtungen und Sozialverbände der Idee gegenüber aufgeschlossen zu sein.

Kultur-Haus Zach „Ich stehe 100-prozentig dahinter und bin sogar dafür, zwei Pflichtzeiten einzuführen“, betont Detlef Bauer, Vorsitzender des Trägervereins für das Kultur-Haus Zach. „Einmal nach der Schulzeit, beziehungsweise vor Beginn des Berufslebens und ein weiteres Mal nach Eintritt des Rentenalters. Das sind zwei krasse Übergänge, in denen Menschen häufig Orientierung suchen.“ Detlev Bauer bezieht sich dabei auf einen weiteren Befürworter des Pflichtdienstes, den Philosophen Richard David Precht. Dieser fordert seit Jahren die Einführung einer solchen Verpflichtung für Schulabsolventen und Neu-Rentner und geht somit noch einen Schritt weiter als Steinmeier. Während Precht und der Bundespräsident ihre Ansicht aus einer generellen Sehnsucht nach prägenden Lebenserfahrungen für junge Menschen und Forderungen nach mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt herleiten, legt der Hückeswagener Detlev Bauer auch Wert auf den pragmatischen Aspekt. Schließlich fehlt es überall an Arbeits- und Fachkräften. „Wir brauchen immer fähige Leute und freuen uns zum Beispiel sehr, das wir gerade einen Vertrag mit einem jungen Mann geschlossen haben, der bei uns das Putzen übernimmt“, sagt Bauer. Auch in Sachen Catering bei Veranstaltungen suche der Verein stets „händeringend“ nach Unterstützung. „Es sind immer nur einige wenige, die überhaupt zur Verfügung stehen“, sagt Bauer. Bei älteren sehe er ebenfalls ungenutztes Potenzial. „Das handwerkliche Know-how vieler Rentner könnten wir gut gebrauchen. Ebenso suchen wir jemanden für die Buchführung. Unsere aktuelle ehrenamtliche Geschäftsführerin ist mittlerweile 70 Jahre alt und möchte im nächsten Jahr aufhören.“ Außerdem würden Leute mit Fähigkeiten im Bereich Ton-, Sound- oder Lichttechnik stets gesucht.

Diakonie im Johannesstift Sandra Richter, Leiterin der Diakoniestation im Johannesstift, steht dem Pflichtjahr ebenfalls positiv gegenüber. „Ich finde das prinzipiell gut, auch wenn wir hier in der ambulanten Pflege weniger Bedarf haben. Unsere Kräfte müssen absolut professionell und selbstständig mit den Patienten umgehen können“, sagt sie. Jedoch fehlten ihres Wissens in Altenheimen oder Krankenhäusern Hilfskräfte sehr. Richter betont, wie wichtig „Erfahrungen für junge Leute im sozialen Bereich“ seien und sie prägen können. „Mein Sohn zum Beispiel hat damals seinen Zivildienst im Johannesstift abgeleistet und sich anschließend für eine Ausbildung im Pflegebereich entscheiden.“

Bürgermeister Der Hückeswagener Bürgermeister Dietmar Persian verweist ebenfalls auf die „Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen“. Ähnlich wie Sandra Richter sieht er einen sozialen Pflichtdienst weniger unter dem Aspekt, zusätzliche Kräfte in der Pflege oder der Erziehung zu finden. „Auch wenn dies natürlich ein positiver Nebeneffekt wäre“, sagt Persian. Zwar habe man in der Verwaltung das Thema bislang nicht ausführlich diskutiert, jedoch erkennt Persian „die Flüchtlingshilfe, die Umweltarbeit oder die Kultur, beispielsweise in Form der Stadtbibliothek“, als mögliche Einsatzfelder. Auch die offene Jugendarbeit, wo bereits Angehörige des Bundesfreiwilligendienstes mitgearbeitet haben, sei eine geeignete Station.