Städtepartnerschaft Der Monat Juni In Etaples Restaurantgäste sind noch verunsichert

Hückeswagen · Einmal im Monat widmet sich unsere Redaktion dem Geschehen in der Partnerstadt Etaples und der Region. Dieses Mal geht es um eine kuriose Gesetzesnovelle: Die französischen Restaurants müssen ihren Gästen künftig "doggy bags" anbieten.

 Gut besucht: das Restaurant "Planète Océan" am Hafen von Etaples. Chef Mickaël Auvage ist skeptisch, ob sich die "doggy bags" - Styroporbehälter, in denen nicht verzehrte Speisen mit nach Hause genommen werden können - bei seinen Gästen durchsetzen werden. Noch hält sich die Nachfrage sehr in Grenzen.

Gut besucht: das Restaurant "Planète Océan" am Hafen von Etaples. Chef Mickaël Auvage ist skeptisch, ob sich die "doggy bags" - Styroporbehälter, in denen nicht verzehrte Speisen mit nach Hause genommen werden können - bei seinen Gästen durchsetzen werden. Noch hält sich die Nachfrage sehr in Grenzen.

Foto: axel bornkessel

ETAPLES Mickaël Auvage, Chef des Restaurants "Planète Océan" am Hafen von Etaples, ist skeptisch: "Unsere Gäste trauen sich noch nicht, danach zu fragen", wird er in der Regionalzeitung "La Voix du Nord" zitiert. Es geht um die sogenannten "doggy bags" - Styroporbehälter, in denen nicht verzehrte Speisen mit nach Hause genommen werden können. Denn die müssen in Frankreichs Restaurants den Gästen künftig angeboten werden.

Der Grund ist ein neues Gesetz, das sich mit Ernährung und Landwirtschaft befasst, das die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung nach tagelangen heftigen Debatten Anfang Juni auf den Weg gebracht haben. Neben Maßnahmen für angemessene Einkünfte der Bauern oder bessere Verbraucherrechte enthält die Liste der Verordnungen auch eine Kampfansage gegen Verschwendung. Umweltminister Nicolas Hulot will, dass ab 2021 die "doggy bags" eingeführt werden. Profis halten das für eine Schnapsidee: Werden künftig Restaurantbetreiber verantwortlich gemacht, wenn ihre Gäste nicht beachten, dass mitgenommene Meeresfrüchte oder mit frischen Eiern zubereitete Dessert-Reste zu Hause kühl gehalten werden müssen, und sich dadurch Lebensmittelvergiftungen zuziehen?

Ansonsten ist das Gesetz überfällig: Die Einkommensverhältnisse auf dem Land sind jenseits so prestigeträchtiger Sparten wie Weinbau oder Rinderzucht teilweise so prekär, dass europafeindliche Parteien wie der Front National unter den Bauern viele Wähler gefunden haben. Es müsse sich also etwas ändern, forderte Präsident Emmanuel Macron in seinem Wahlkampf im vergangenen Jahr.

Die führende Agrarnation Europas tut sich jedoch schwer, in den jüngsten Verordnungen die Interessen von Landwirtschaft, Industrie und Verbrauchern miteinander zu vereinbaren. Bessere Einkommensverhältnisse auf dem Land und dringend notwendiger Umweltschutz scheinen sich dabei weitgehend auszuschließen. Das erhöht den Druck auf Landwirtschaftsminister Stéphane Travert.

Ein Beispiel ist Glyphosat: Noch im November hatte der Präsident versprochen, mit dem Einsatz des möglicherweise krebsauslösenden Unkrautvernichtungsmittels werde zum 1. Januar 2021 Schluss sein. Doch die Mehrheit der Abgeordneten verhinderte jetzt ein entsprechendes Verbot. Travert beruhigte die Antragssteller um seinen Umweltkollegen Hulot - Macron werde sein Versprechen in Zukunft schon irgendwie halten. Dabei möchten viele Bauern ohne große Umweltauflagen ihre Ernte vor Unkraut schützen. Denn ihnen geht es vor allem darum, dass sich ihre Arbeit auch rentiert. Die Bauernlobby verlangt daher Preisabsprachen und Preiskontrollen, um gegenüber der mächtigen Lebensmittelindustrie besser dazustehen. Die Anstrengungen um Rentabilität, die sicher auch auf Kosten der Umwelt geschehen, werden erschwert durch das allgemeine Desinteresse der Öffentlichkeit für die Produktionsverhältnisse in der Landwirtschaft.

Gewichtiger ist die allgemeine Diskussion über ethische Fragen: Tierschützer wollten per Gesetz das brutale Geschehen in Geflügelzucht- und Schlachtbetrieben per Video überwachen lassen. In den neuen Auflagen ist diesbezüglich aber nur von einer Versuchsphase die Rede.

Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher spielte unter den Abgeordneten der Assemblée Nationale auch eine Rolle: Die Lebensmittelindustrie wurde aufgefordert, in ihrer Werbung zu fette, zu süße oder zu salzige Waren zu markieren. Davon aber steht jetzt nichts im neuen Gesetz.

In einem Land, das stolz auf die Vielfalt seiner agrarischen Produkte ist und deren Originalität es mit strengen Herkunfts- und Gütebezeichnungen zu schützen weiß, überwiegt der Eindruck, dass die vielen Gesetzesinitiativen zwar Änderungen versprachen, aber nichts grundlegend verändert wurde. Bei diesem traurigen Ergebnis wirkt die Neuerung mit den "doggy bags" wie eine alberne Posse.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort