Hückeswagener Orts- und Straßennamen Der Ort der Erfinder und Vorreiter

Eckenhausen · Geprägt von Landwirtschaft liegt die idyllische Hofschaft nahe der Stadtgrenze zu Radevormwald. Hier leben unte anderem Vorreiter in der Milchkuhhaltung und Erfinder in der Currywurstbranche.

 Horst (l.) und Marlene Schreiber wohnen im alten Bauernhaus Eckenhausen 2, Bruder und Schwager Reiner Selbach hat sich und seiner Familie 1970 in der Hofschaft ein Haus gebaut.

Horst (l.) und Marlene Schreiber wohnen im alten Bauernhaus Eckenhausen 2, Bruder und Schwager Reiner Selbach hat sich und seiner Familie 1970 in der Hofschaft ein Haus gebaut.

Foto: Heike Karsten

Durchgangsverkehr kennen die zwölf Anwohner der Hofschaft Eckenhausen nahe der Bever-Talsperre nicht. Die kleine Ortschaft, die von der B 483 aus zu erreichen ist, durchqueren höchstens einmal Wanderer. Zu den Anwohnern zählen Marlene und Horst Schreiber, deren Sohn Marcus Schreiber mit Familie, Reiner Selbach mit Sohn Henrik und eine weitere zugezogene Familie. Die Häuser sind teilweise mehrere hundert Jahre alt und wurden zur Zeit des 30-jährigen Kriegs gebaut, wie Horst Schreiber berichtet.

Der Landwirt und ehemalige Fraktionsvorsitzende der Hückeswagener CDU ist im nahen Radevormwald-Ispingrade aufgewachsen. Erst nach der Hochzeit mit Marlene Selbach zog er nach Eckenhausen, um dort den Hof der Schwiegereltern zu übernehmen. Sie legten den Hof seiner Eltern und Schwiegereltern zusammen und pachtete im Laufe der Jahre sechs weitere Höfe dazu. Aus ursprünglich acht Kühen wurden bis zum heutigen Tag 220 Milchkühe und insgesamt 125 Hektar Land.

 Eine alte Zeichnung des Hofes der Familie Selbach/Schreiber mit dem großen Teich, der noch heute existiert, von P. Klaas. Das Bild ist datiert auf 1985.

Eine alte Zeichnung des Hofes der Familie Selbach/Schreiber mit dem großen Teich, der noch heute existiert, von P. Klaas. Das Bild ist datiert auf 1985.

Foto: Reiner Selbach/P. Klaas

Die Vorfahren aus Eckenhausen kann die Familie Schreiber bis zum Jahr 1834 zurückverfolgen. Johann Wirth ließ 1902 den Zukauf von Land für 33.000 Goldmark notariell beglaubigen. Es ist das älteste Dokument in Familienbesitz über die Eckenhausener Vorfahren. Um 1850 hatte Johann Wirth den Hof mit der Familie Busch geteilt, die bis vor drei Jahren in Eckenhausen lebte. Der große Teich mit den idyllisch wirkenden Trauerweiden am Ufer liegt gleich neben dem alten Bauernhaus und blieb immer Gemeinschaftseigentum der beiden Höfe. Reiner Selbach und seine Schwester Marlene Schreiber können sich noch gut daran erinnern, wie gerne die Kinder aus der Nachbarschaft den Teich zum Schwimmen oder Eislaufen nutzten.

Rund um Eckenhausen liegen weitere Hofschaften mit dergleichen Namensendung: Zipshausen, Heinhausen, Funkenhausen, Dahlhausen und Fockenhausen – alle auf derselben Seite der Bundesstraße Richtung Bever. „Girkenhausen und Platzhausen sind dagegen beim Bau des Staudamms in der Bever-Talsperre versunken“, fügt Schreiber hinzu.

Die Familie bewohnt das große Bauernhaus mit der Hausnummer 2, ein historisches Schmuckstück mit alten Fachwerkbalken und einigen Überraschungen. „Das Fundament besteht aus Bruchsteinen und 1,20 Meter dicken Wänden mit einem Hohlraum für die Isolierung. Als wir vor 35 Jahren umgebaut haben, haben wir in zwei Metern Höhe einen Notausgang entdeckt, der wohl zu Kriegszeiten entstanden ist“, erzählt der 80-Jährige. Auch eine in den Holzbalken gemeißelte lateinische Inschrift kam zutage, die bis heute niemand vollständig entziffern konnte.

Auf den umliegenden Wiesen grasen Holstein-Kühe, die in Deutschland am häufigsten eingesetzte Rasse in der Milchproduktion. Das war nicht immer so, wie Schreiber berichtet. Früher hätten die Züchter in Deutschland mehr Wert auf stämmige Tiere mit viel Fleisch gelegt. „Die haben aber nur ein Drittel an Milch gegeben“, erläutert der Landwirt. Die Körkommission habe damals überspitzt dargestellt aus dem Bürgermeister, dem Pastor und dem Zuchtdirektor bestanden – allesamt ohne das nötige Wissen. Daraufhin hätten sich die Jungzüchter formiert: „1973 haben wir das erste Holstein-Friesian-Rind aus Amerika eingeführt“, erinnert sich Schreiber.

Ein Rind aus eigener Zucht wurde sogar zur besten Kuh in Deutschland gekürt, deren Kalb war später der höchst prämierte Bulle in Holland. Zahlreiche Pokale zeugen von diesen früheren Erfolgen. Als 1980 die Welt-Holstein-Friesian-Konferenz in Deutschland tagte, fand das Treffen auf dem Hof in Eckenhausen statt.

Durch die Zuchterfolge kamen viele neugierige Besucher in die Hückeswagener Hofschaft. Marlene Schreiber erinnert sich: „Einmal kam ein Kleinbus mit zwölf Ostfriesen bei uns vorbeigefahren – das war am zweiten Weihnachtstag, nachts um 3 Uhr.“ Versorgt wurden die zahlreichen Gäste mit Bergischen Waffeln. „Ich habe zentnerweise Waffelteig gemacht“.

Aber nicht nur in Sachen Rinderhaltung sind die Eckenhausener Vorreiter. „Mein Schwager, Friedhelm Selbach, hat hier die Currywurst-Schneidemaschine erfunden“, berichtet Schreiber (Info-Kasten). Reiner Selbach, der sich 1970 in Eckenhausen ein Haus gebaut hat, bringt seine Fähigkeiten in Sachen Elektrik ebenso mit ein. „Unser Urlaub stand einmal auf der Kippe, weil der Strom ausfiel und die Melkmaschine nicht lief“, erzählt Marlene Schreiber. Der Übeltäter war schnell ausgemacht: Ein eingeschlagener Nagel in der Wand, an dem ein Hirschgeweih aufgehangen worden war, hatte die Stromleitung beschädigt.

Wie tief die Familie mit der Landwirtschaft verwurzelt ist, zeigt sich an Enkel Marlon: Der Elfjährige hat bereits eigene Hühner und verkauft die Eier in einer kleinen Hütte direkt am Wanderweg A3 in Eckenhausen. Selbst von der Corona-Krise ist in der Hofschaft kaum etwas zu spüren. „Wir leben hier auf einer goldenen Insel“, weiß Reiner Selbach das abgeschiedene Landleben zu schätzen.

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