Hückeswagen Nach der Milchquote kommt die Ungewissheit

Hückeswagen · Anfang April betreten viele Landwirte Neuland, denn erstmals seit knapp 30 Jahren dürfen sie so viel Milch produzieren, wie sie möchten. Einige sorgen sich vor einem Preisverfall, andere freut die neue Freiheit.

Die hiesigen Landwirte reagieren mit gemischten Gefühlen auf das nahende Ende der Milchquote. "Wir werden die Auswirkungen wohl sehr deutlich zu spüren bekommen", sagt Michael Braun, Vorsitzender des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Kreisverband Oberberg-Süd. Es könnten Überproduktion und Preisverfall drohen. Braun nimmt die Politik in die Pflicht, Marktkriseninstrumente zu installieren. Ohne solche Instrumente sei in Krisenzeiten ein erheblicher Strukturwandel zu befürchten. Andere Landwirte aus Oberberg sehen die Situation weniger dramatisch. Sie freuen sich über mehr Freiheit.

Am 31. März läuft die Milchquote aus - ein historisches Ereignis. Mehr als 30 Jahre deckelte die Europäische Union mit Hilfe der Quote die Milchmenge. Die EU hatte die Quote 1984 eingeführt, um die Produktion von Milcherzeugnissen zu regulieren. Es sollte nur so viel produziert werden, wie auch verbraucht wurde. Ein sogenanntes Milchkontingent legte die genaue Milchmenge fest, die ein Landwirt liefern durfte. Landwirte, deren Kühe jedoch mehr Milch gaben, mussten sich an der Börse Berechtigungsscheine kaufen, andernfalls drohten Strafzahlungen.

Nun dürfen die Landwirte so viel Milch produzieren, wie sie möchten. Eine maximal vorgegebene Menge gibt es nicht mehr. Entsprechend höhere Milchmengen erwartet nun auch Landwirt Michael Braun. "Es ist allerdings fraglich, ob der Markt das aufnehmen kann", spekuliert er. Es könne folglich zu einer erheblichen Übersättigung kommen - Preisverfall inklusive. Im vergangenen Monat erhielten die Landwirte 26 Cent pro Liter Milch. Das reicht schon jetzt nicht, um die Produktionskosten zu decken.

Der Ortslandwirt von Hückeswagen, Dietmar Strack, befürwortet die Entscheidung der EU. "Es ist gut, dass die Quote wegfällt", betont Strack, der auf seinem Hof in Großenscheidt 150 Kühe hält. Früher habe man dem Verpächter durch die Quote mitunter Geld zahlen müssen. Das sei aber ab Anfang April nicht mehr der Fall. Auch Strack hält einen Milchpreisverfall wegen höherer Produktionsmenge der Landwirte für möglich.

Der Ortslandwirt erwartet von den Molkereien, nach neuen Absatzmöglichkeiten zu suchen. In Europa sei eine Absatzsteigerung kaum möglich. Wohin seine Milch ausgeliefert wird, ist dem Hückeswagener letztlich egal. Strack verweist auf die bestehenden freie Marktwirtschaft und weltweite Absatzmöglichkeiten. "Das ist allerdings Aufgabe der Molkereien", sagt Strack.

Aufgabe der Politik wiederum sei es, in Krisensituationen einzugreifen, fordern einige Landwirte - so auch Michael Braun. Mögliche Maßnahmen seien eine zeitlich befristete Einlagerung von Milchpulver oder Butter sowie eine Einschränkung der Produktion samt Entschädigungszahlung an die Landwirte. Denkbar sei - als Reaktion auf eine Krise - auch eine verbindliche Regelung für alle Landwirte. So könne man einem schnellen Strukturwandel, wie etwa mehr Stallhaltung und hohe Intensivierung, entgegenwirken.

Einige oberbergische Landwirte wollen laut Braun heute und morgen zur Agrarministerkonferenz nach Hessen fahren. Dort möchten sie die Politik für ihre Sorgen und die Installierung von Krisenmaßnahmen sensibilisieren.

(RP)
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