Hückeswagen Moderne Windmühle macht demütig

Hückeswagen · Vor ein paar Jahren nur selten zu sehen, gehören Windkraftanlagen mittlerweile auch in NRW zum Alltag. Die BM wagte einen Blick ins Innere des stählernen Riesen von Vormwald, neben dem in Röttgen das zweite Windrad Hückeswagens.

Die Signalleuchte, die Flieger warnt, leuchtet nachts rot, bei Tag weiß.

Die Signalleuchte, die Flieger warnt, leuchtet nachts rot, bei Tag weiß.

Foto: Weitzdörfer

Es ist ein klein wenig wie die Fahrt unter Tage in ein Kohlebergwerk, nur eben umgekehrt: Eine enge Gondel-Kabine mit Platz für maximal zwei Personen setzt sich mit einem kräftigen Ruck in Bewegung und fährt langsam und leicht schwankend nach oben. Rund drei Minuten dauert die Fahrt im Inneren der Windkraftanlage in Vormwald, Typ Enercon E-82, im Hückeswagener Norden. Gut 90 Meter legen die "Passagiere" so zurück.

Blick aus mehr als 100 Metern Höhe auf die Straße in Vormwald.

Blick aus mehr als 100 Metern Höhe auf die Straße in Vormwald.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Dann ist Endstation. Schicht im Schacht sozusagen. Denn der verjüngt sich nach oben hin, ist irgendwann zu schmal für den Aufzug. Zwischen Fuß und Kopf schrumpft der Turm-Durchmesser um 6,4 Meter. Gut gesichert mit Karabinern und Klettergurt geht's daher die restlichen Meter bis ins "Herz" dieser modernen Windmühle hinauf - auf einer schmalen Leiter, die senkrecht in die Höhe führt.

 Oberhalb des Rotors eröffnet sich dem Betrachter eine traumhafte Aussicht über das Bergische Land. In der Mitte: die Wupper-Talsperre.

Oberhalb des Rotors eröffnet sich dem Betrachter eine traumhafte Aussicht über das Bergische Land. In der Mitte: die Wupper-Talsperre.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Trotz der Sicherung bleibt ein mulmiges Gefühl. Die Routine kommt bestimmt mit den Aufstiegen. "Viermal im Jahr müssen die Anlagen gewartet werden, davon sind je zwei Wartungen für die Elektronik und die Mechanik in der Anlage vorgesehen", erläutert Dieter Braams vom Windrad-Betreiber SL Windenergie Unternehmensgruppe aus Gladbeck, der verantwortlich ist für die Netzanbindung. Außerdem müssen die Techniker natürlich ausrücken, wenn etwas defekt ist.

Trotz der exponierten Stellung der Windräder kommt das selbst bei starken Stürmen wie dem Pfingst-Unwetter eher selten vor: "Von den mehr als 80 Windenergieanlagen, die SL NaturEnergie in NRW betreibt, war zu Pfingsten nur an einer ein kleinerer Schaden aufgetreten", erzählt Braams.

Die ovale Kuppel, die von unten wie ein auf der Seite liegendes Ei aussieht und an der die drei jeweils knapp 39 Meter langen Rotorblätter mit insgesamt 21 Tonnen Gewicht hängen, ist von innen weniger spektakulär bestückt, als man meinen könnte. Mehr schnöder Schiffsbauch als bunt blinkende Kommandobrücke à la Raumschiff Enterprise; verschiedene unscheinbare Schaltkästen, ein überschaubar bestücktes Schaltpult, an der Wand hängt ein Notfallkasten. Es ist ein eher einsamer Ort so hoch oben, der zudem bei starkem Wind bis zu einem Meter hin- und herschwanken kann. "Das merkt man dann aber nicht so sehr", versichert Braams und winkt ab. Die Vorstellung klingt trotzdem nicht angenehm.

Dabei schlägt hier oben das Herz der Anlage, wie Braams bestätigt: "Die Flügel treiben den Generator direkt an. Die dadurch erzeugte Energie wird gleichgerichtet und dann über Kabel durch den Schacht nach unten geleitet." Der Ingenieur deutet auf ungefähr 20 armdicke schwarze Kabel, die gebündelt an der Turm-Innenwand nach unten verschwinden. 4,5 Millionen Kilowattstunden soll die Anlage, die seit dem 3. Dezember in Betrieb ist und rund drei Millionen Euro gekostet hat, pro Jahr produzieren. "Genug für etwa 1000 Vier-Personen-Haushalte", sagt der Diplom-Ingenieur nicht ohne Stolz.

An der Decke der Kuppel ist eine Luke, auf den ersten Blick wirkt sie unscheinbar. Doch als Dieter Braams sie öffnet und damit den Weg auf das Dach des Windrads freigibt, entschädigt der wundervolle Blick ins Bergische Land für alle eventuell aufgetretenen klaustrophobischen Gefühle im dunklen Inneren des Windrads. Es macht sich ein wenig Demut breit, wenn man auf der kleinen Plattform steht, gut gesichert natürlich, die riesigen Flügel hinter sich, links und rechts die Signalleuchten, vor sich der Blick auf die Bever-Talsperre sowie nach Hückeswagen und Radevormwald.

Es ist ein bisschen wie auf einem gerade bezwungenen Berg am Gipfelkreuz - und man vergisst ganz, dass man sich in einem Windkraftwerk befindet. Ein zauberhafter Moment. Dann geht es wieder zurück in die Dunkelheit des Schachts. Und beim Hinabfahren in der engen Gondel fühlt es sich jetzt wirklich an wie im Bergwerk.

(wow)
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