Blickpunkt Wirtschaft in Hückeswagen Millionenschaden bei Klingelnberg

Hückeswagen · Erste Schätzungen des Gesamtschadens liegen zwischen 55 und 65 Millionen Euro. Versicherungen tragen 15 Millionen. Der Auftragsbestand des Unternehmens liegt dennoch derzeit bei mehr als 190 Millionen Euro – so hoch wie nie.

 Das Wupper-Hochwasser hatte offenbar das gesamte Klingenberg-Betriebsgelände an der Peterstraße unter Wasser gesetzt.

Das Wupper-Hochwasser hatte offenbar das gesamte Klingenberg-Betriebsgelände an der Peterstraße unter Wasser gesetzt.

Foto: Feuerwehr

Da haben sich die schlimmsten Befürchtungen wohl bewahrheitet: Nach der Überflutung des Geländes der Firma Klingelnberg an der Peterstraße geht Hückeswagens größter Arbeitgeber derzeit nach ersten Schätzungen von einem Gesamtschaden zwischen 55 und 65 Millionen Euro aus. Davon sollen die Versicherungen etwa 15 Millionen Euro tragen. Der erwartete Gewinn für das Geschäftsjahr 2021/2022 sei wegen der immensen Schäden nicht mehr realisierbar, teilte das Unternehmen mit. Erfreulich seien die Rückmeldungen von Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern, so dass sich der Auftragseingang weiter positiv entwickelt. Die wichtigste Nachricht: „Der Bestand der Gruppe ist gesichert, der Hauptaktionär stellt vorsorglich zehn Millionen Euro zur Sicherung von Liquidität bereit“, heißt es in einer Pressemitteilung aus Zürich.

Am 15. Juli hatte die Klingelnberg-Gruppe darüber informiert, dass wegen des heftigen Starkregens der Standort Hückeswagen am Spätabend des 14. Juli durch Hochwasser in weiten Teilen überflutet worden war. „Zum damaligen Zeitpunkt war eine Bezifferung des Schadens noch nicht möglich, jedoch zeichnete sich ab, dass die eingetretenen Schäden substantiell sein würden“, berichteten Geschäftsführer Jan Klingelnberg und Chief Financial Officer Christoph Küster. Mittlerweile sei eine erste Einschätzung möglich.

 Die Feuerwehr im Einsatz auf dem Gelände der Firma Klingelnberg.

Die Feuerwehr im Einsatz auf dem Gelände der Firma Klingelnberg.

Foto: Feuerwehr

„Seit dem Zeitpunkt der Überflutung hat die Klingelnberg-Gruppe alles getan, um den Standort und das Gesamtunternehmen zu sichern. Alle verfügbaren Mitarbeiter des Standortes Hückeswagen haben sich an den Aufräumarbeiten beteiligt“, teilt das Unternehmen mit. Ein sofort beauftragtes Spezialunternehmen hatte damit begonnen, einen Notbetrieb sicherzustellen, Folgeschäden für die Umwelt zu verhindern, Maschinen und Einrichtung zu sichern und vor weiteren Schäden zu schützen. Die unter Stromausfall heruntergefahrene IT des Standortes wurde wieder in Betrieb gesetzt.

 Der Blick von oben macht das Ausmaß des Hochwassers nochmal deutlicher.

Der Blick von oben macht das Ausmaß des Hochwassers nochmal deutlicher.

Foto: BM

Gleichzeitig führte das Unternehmen nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Gesprächen mit Kunden und Zulieferern, um einerseits Akzeptanz für unvermeidliche Lieferverzögerungen zu schaffen, andererseits Zulieferer zu motivieren, die Firma zunächst bevorzugt zu beliefern und so mögliche Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb weiter zu reduzieren. „Sämtliche Gespräche verliefen äußerst positiv. Nicht zuletzt aufgrund der langjährigen soliden und auf gegenseitige Fairness aufbauenden Geschäftsbeziehungen wurde Klingelnberg durch seine Kunden und Partner weitreichende Unterstützung und Solidarität zugesichert“, teilen Klingelnberg und Küster mit.

 Der Parkplatz der Firma stand unter Wasser. Ein Fahrer konnte sein Auto (l.) nicht aus den Fluten retten.

Der Parkplatz der Firma stand unter Wasser. Ein Fahrer konnte sein Auto (l.) nicht aus den Fluten retten.

Foto: Stephan Büllesbach

Man sei überzeugt, dass eine existentielle Bedrohung des Unternehmens abgewendet werden kann. Allerdings seien alle Angaben und Zahlen bislang nur Schätzungen und stünden unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit, Überprüfung und weiterer Bestandsaufnahmen.

Die Klingelnberg-Gruppe hatte für das Geschäftsjahr 2021/2022 mit einem deutlich positiven Ergebnis gerechnet. Vor der Flutkatastrophe befand sich das Unternehmen auf bestem Weg, statt des in Aussicht gestellten hohen einstelligen Millionengewinns ein zweistelliges Ergebnis zu schaffen. „Gleichzeitig hatte das Unternehmen die Belastungen aus dem 2019 einsetzenden Einbruch der Weltkonjunktur, den zusätzlichen Belastungen aus Corona im Jahr 2020 sowie den eingeleiteten umfassenden Maßnahmen zur Zukunftssicherung erfolgreich verarbeitet“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Vor dem Hintergrund des geschätzten Schadens durch die Überflutung rechne die Firma nun mit einem Verlust für das laufende Geschäftsjahr zwischen 30 und 40 Millionen Euro. Aber angesichts der soliden Bilanz per Jahresabschluss 31. März 2021, mit einer Nettoliquidität von 15,5 Millionen Euro und einer sehr hohen Eigenkapitalquote von 56 Prozent bzw. einem Eigenkapital von 120,5 Millionen könne Klingelnberg den Schaden aus eigener Kraft bewältigen, teilen Jan Klingelnberg und Christoph Küster mit.

Und trotz der enormen Flutschäden am Standort Hückeswagen könne die positive Entwicklung des Auftragseingangs weiter fortgesetzt werden. Der Auftragsbestand des Unternehmens liegt derzeit bei mehr als 190 Millionen Euro – „so hoch wie nie“, teilt das Unternehmen mit. 

Als weitere Maßnahme zur Sicherung des Unternehmens habe sich der Hauptaktionär, die Familie Klingelnberg, bereiterklärt und verpflichtet, dem Unternehmen bei Bedarf einen Betrag von zehn Millionen Euro zur jederzeitigen Sicherstellung der Liquidität zur Verfügung zu stellen. Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Management verzichten demnach freiwillig auf einen Teil ihrer Bezüge. „Es ist darüber hinaus angestrebt, mit dem Tarifpartner einen zeitlich begrenzten Haustarifvertrag zu erreichen“, kündigt Klingelnberg an.

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