Serie Erster Weltkrieg In Hückeswagen (3) Lebensmittel rationiert, Hunger kommt

Hückeswagen · Nach patriotischer Begeisterung folgten Tod und Not - Hückeswagener Impressionen aus den Jahren 1914 bis 1918.

 Auch Hückeswagener Schulkinder profitieren nach Ende des Ersten Weltkriegs von der Quäker-Speisung aus den USA. Hier die Schüler der katholischen Schule, der spätereren Mittelschule, an der Kölner Straße.

Auch Hückeswagener Schulkinder profitieren nach Ende des Ersten Weltkriegs von der Quäker-Speisung aus den USA. Hier die Schüler der katholischen Schule, der spätereren Mittelschule, an der Kölner Straße.

Foto: Archiv Mostert

Während an den Kriegsschauplätzen der Stellungskrieg in den Schützengräben und dazu der Einsatz von Gas immer grausamere Ausmaße annahm, gingen in der Heimat Kummer und Elend um. Den Hückeswagenern waren sämtliche Lebensmittelvorräte ausgegangen. Bereits am 28. Oktober 1914, vier Monate nach dem Attentat von Sarajewo, mahnte die Bergische Volkszeitung, sich tunlichst mit dem nötigen Mehl zusätzlich zu "kleinen Mengen" mit Kartoffeln und Kohlen für den Winter zu versorgen.

Am 8. März 1915 wurde es konkreter: "Wer Kartoffelvorräte hat, ist verpflichtet, die Behörde davon in Kenntnis zu setzen." Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl von zusammen mehr als 15 Pfund wurden enteignet. Das galt auch für Bauern. Saatgut stand kaum zur Verfügung. Die Grundversorgung war im Kriegstaumel überall aus dem Ruder gelaufen. Die Zeitung vermeldete die Rationierung von Kunst- und von Malzhonig, Graupen, Grieß, Kartoffelwalz-Mehl, Wibbelbohnen, Suppenwürfeln. 400 Hückeswagener Schwerstarbeiter in den Werken an der Peterstraße und in Kräwinklerbrücke erhielten leichte Sonderrationen. Als katastrophal war den Hückeswagenern Zeitzeugen der so genannte Steckrübenwinter 1916/17 in Erinnerung geblieben: "An der Westfront kündeten sich die ersten Anzeichen der 10. Flandernschlacht an. Die Jugend, die meisten kaum 18 Jahre alt, trat noch einmal mit den ausgebrannten Resten der Regimenter zum Totentanz an und starb im nie enden wollenden Trommelfeuer zwischen Langemark und Ypern (. . .) Zuhause war bitterste Not", zitierte die BM 1967 einen Überlebenden.

Auch die Hückeswagener standen vor dem "Steckrübenwinter", in dem die Schulkinder statt eines Butterbrotes eine Scheibe Steckrübe mit zur Schule nahmen. Die Rüben ersetzten Fisch und Fleisch, Kartoffeln und Gemüse. Getrocknet wurde ihr Laub und zusammen mit Buchenblättern als Tabak in der Pfeife geraucht. In den Schaufenstern hingen inzwischen vergilbende Schilder "Ausverkauft!". Als Schuhersatz dienten Holzkläpperchen. So genannte Schmutzkranke, die unter anderem an Krätze litten, wurden in den Quarantänestationen der beiden Hückeswagener Krankenhäuser Johannesstift und Marienhospital behandelt. Wöchentlich gab es für beide Hospitäler Kriegsverwundeten-Quoten. Ordensschwestern und Diakonissen wurden durch örtliche Rot-Kreuz-Schwestern unterstützt. Im bitterkalten "Steckrübenwinter" von 1916/17 starben laut Statistik 750 000 Zivilisten in Deutschland an Unterernährung. Unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs konnten auch die Hückeswagener Schulkinder mit der aus den USA kommenden Quäker-Speise aufgepäppelt werden.

(rt)
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