Hückeswagen Kontroverse G 8-Meinung bei Schulleitern

Hückeswagen · Zwei Gymnasien in der Nachbarstadt Wipperfürth - und zwei verschiedene Meinungen der Leiter über das Abitur nach zwölf oder 13 Jahren. Was der eine als gute Entwicklung sieht, bewertet der andere als pädagogische Fehlentscheidung.

Etwas mehr als zehn Jahre gibt es das G 8 nun schon - das Abitur in insgesamt zwölf anstatt 13 Schuljahren. Bereits die Umstellung ist holprig verlaufen. Teils hatte es damals gewirkt, als sei die neue Regelung den Schulen übergestülpt worden, ohne dass ein vernünftiges Konzept vorhanden gewesen wäre. Jetzt, nach mehr als einer Dekade und vielen Abi-Jahrgängen mit tausenden G8-Absolventen, ist die Debatte in NRW wieder aufgeflammt: für oder wider G 8? Für oder wider G 9? Wahlmöglichkeit an den Schulen?

Die meisten Hückeswagener Gymnasiasten besuchen eins der beiden Gymnasien in der Nachbarstadt Wipperfürth. Die Erfahrungen und Einschätzungen zu G 8 der beiden Schulleiter, Walter Krämer vom Erzbischöflichen St.-Angela-Gymnasium und sein Kollege Werner Kronenberg vom Engelbert-von-Berg-Gymnasium, könnten indes kaum gegensätzlicher sein. Krämer hat an seiner Schule gute Erfahrungen mit der Schulzeitverkürzung gemacht: "Die Nachbesserungen, die vom Ministerium kamen - keine Hausaufgaben an Langtagen oder nicht mehr als zwei Klausuren pro Woche - hatten wir eh schon so beherzigt. Das G 8 ist für das Gymnasium eine gute, akzeptable Sache. Wir sind damit rundherum zufrieden", bringt es der Schulleiter am St. Angela auf den Punkt.

Zwar habe es im vergangenen Schuljahr die Idee einer Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 gegeben. Das sei aber vom Ministerium nicht genehmigt worden: "Der Wunsch kam dabei auch nicht von Eltern, deren Kindern schon an unserer Schule waren, sondern von denen der angehenden Fünftklässler", sagt Krämer. Für diejenigen Eltern, deren Kinder schon am St.-Angela sind, sei G 8 kein Problem, betont der Schulleiter, der sein Rezept für ein funktionierendes G 8 so erklärt: "Man muss den Mut haben, Stoffe wegzulassen und Freiräume zu schaffen." Nur so könne man die Kinder zu selbstständigen Denkern erziehen. Denn nur durch Wissensvermittlung alleine könne das nicht geschehen, sagt Krämer.

Der Schulleiter des St.-Angela-Gymnasiums begrüßt daher eine Zukunft weiterhin mit G 8: "Solange das Ministerium sich nicht anders entscheidet, gibt es am St.-Angela G 8."

Ganz anders sieht das sein EvB-Kollege Kronenberg: "G 8 ist die Mutter aller pädagogischen Fehlentscheidungen. Das ist meine Meinung von Tag eins an, und daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht", sagt Kronenberg und geht noch weiter: "G 8 ist der größte Unsinn, den ich in 40 Jahren als Pädagoge erlebt habe." Für Kronenberg war die Entscheidung seinerzeit "übers Knie gebrochen", ihm fehlte vor allem die Einbeziehung von Fachleuten. Kronenberg wundert nicht, dass es derzeit wieder eine Diskussion um das Für und Wider von G 8 gibt. "Mich wundert vielmehr, dass es so lange gedauert hat, bis es wieder aufgeflammt ist." Zwar seien die Abschlüsse der G 8-Schüler im Durchschnitt auch nicht schlechter als die der G 9-Schüler. "Aber das 13. Schuljahr fehlt dennoch, denn dann haben die Schüler den Entwicklungssprung gemacht, der ein Lehrer-Schüler-Verhältnis auf Augenhöhe - und damit einen ganz anderen Unterricht - möglich macht."

Auch "weiche" Unterrichtseinheiten wie Theater, Musik oder AGs seien jetzt nicht mehr anzubieten. Politik und Wirtschaft hätten den Bürgern vor der Schulzeitverkürzung eingeredet, dass die deutschen Abiturienten zu alt seien. "Aber das war damals schon falsch", sagt Kronenberg. Einzig der schulische Druck habe sich erhöht, sagt der Pädagoge weiter und sieht die Schuld letztlich bei der Politik: "Nordrhein-Westfalen muss endlich den Mut haben, eine einheitliche Schulpolitik zu fahren", fordert Kronenberg. Um G 8 aufzufangen habe man auf dem EvB schließlich den gebundenen Ganztag eingeführt.

Dennoch bleibt Kronenbergs Fazit eindeutig: "G8 funktioniert am EvB-Gymnasium. Aber nicht alles was funktioniert, ist auch gut."

(wow)
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