Stephan Berger "Kirche ist die Anwältin des Lebens"

Hückeswagen · Stephan Berger ist als Kreisjugendseelsorger im Oberbergischen Kreis nah am Kirchennachwuchs. Im BM-Interview spricht er über den Katholikentag in Münster, seine politischen Dimensionen und die Herausforderungen und Aufgaben der katholischen Kirche heute.

 Stephan Berger, Jugendseelsorger im Oberbergischen Kreis.

Stephan Berger, Jugendseelsorger im Oberbergischen Kreis.

Foto: weitzdörfer

Herr Berger, welche Bedeutung hat der Katholikentag ganz aktuell?

Stephan Berger Ich finde, der diesjährige Katholikentag in Münster stand unter einem stets aktuellen Leitwort - "Suche Frieden". Dieses Leitwort zeigt einerseits an, dass im Menschen eine Sehnsucht nach Frieden steckt, andererseits verbindet sich damit sogleich eine Aufforderung, sich stets um den Frieden zu bemühen. Die vielfältigen aktuellen Beiträge haben gezeigt, dass es von Rom, über Teheran, Pjöngjang bis hin nach Washington ein noch viel intensiveres Ringen um Frieden geben muss.

Für wie wichtig halten Sie die Politik im Rahmen des Katholikentags?

Berger Jeder Christ lebt auch in einem politischen System. Zudem leben viele Christen weltweit in sehr fragwürdigen politischen Gegebenheiten. In Deutschland leben wir als Christen mit der Freiheit und sogar dem Auftrag, die Gesellschaft aus unserem Glauben heraus zu gestalten. Das beginnt bereits in der eigenen Familie und vermag sich eben auch bis hin zu einem konkreten politischen Amt zu erstrecken. Politische Themen auf dem Katholikentag bestärken uns darin, sich lokal und überregional etwa in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, dem gelungenen Miteinander und dem Lebensschutz einzubringen. Von Christen ist seit jeher Verantwortung für Mitmenschen übernommen worden. Das ist nichts Neues und wird immer notwendig sein zum Wohle einer mitmenschlichen Gesellschaft.

Wie stehen Sie zur Entscheidung, dass der kirchenpolitische Sprecher der AfD zu einer Podiumsdiskussion eingeladen wurde?

Berger Ich halte eine so prestigeträchtige Veranstaltung wie den Katholikentag nicht für den geeigneten Ort, an dem offene oder auch im Schafspelz verhüllte Menschenfeindlichkeit Raum bekommen sollte. Mit dieser Einladung ist mit Sicherheit ein falsches Signal ausgesendet worden. Der Bundesvorstand des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend hat dies auch sehr zeitnah benannt.

Was sind die wichtigsten aktuellen Aufgaben der Kirche?

Berger Herausforderungen gibt es sicher viele. Die größte mag diejenige sein, das Verantwortungsbewusstsein jedes Christen für die Kirche noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Es gilt, mit dem eigenen Leben Antwort zu geben auf das Angebot, welches Gott uns Menschen macht. Dieses Angebot heißt Jesus Christus. Wer in einer lebendigen Beziehung mit ihm steht, der erkennt für sich selbst seinen Auftrag in der Kirche und für die Gesellschaft. Diesen Horizont gilt es, immer wieder ins Spiel zu bringen.

Welche Antworten kann die Kirche auf die Herausforderungen unserer Zeit geben?

Berger Ich denke, es steht der Kirche zu, sich immer wieder auch mahnend zu Wort zu melden. Versöhnung und Frieden sind zwei sehr dringliche Themen. Man kann es jedoch nicht losgelöst vom wirtschaftlichen Treiben und dem Umgang mit der Schöpfung betrachten. Es ist augenscheinlich, dass viele Konflikte entstehen, weil die großen Industrienationen im großen Maße von Erdgas und Erdöl abhängig sind. Wenn durch rücksichtslose Produktion die Bewahrung der Schöpfung auf der Strecke bleibt, weil lediglich die Gewinne im Vordergrund stehen, wird das Konfliktpotenzial noch weiterhin wachsen. Vor allem im wirtschaftlichen Treiben muss der Mensch, müssen seine Gesundheit und sein Wohl in den Vordergrund gerückt werden. Ich sehe, dass wir von Deutschland aus mit unseren kirchlichen Hilfswerken und Verbänden einen großartigen Beitrag dafür leisten, dass faires und nachhaltiges Wirtschaften möglich ist.

Pfingsten verbindet man auch mit Erneuerung - an welcher Stelle muss die Kirche sich erneuern?

Berger Ich weiß nicht, ob erneuern das richtige Wort ist. Pfingsten sehe ich vielmehr als ein Fest des mutigen Aufbrechens. Pfingstliches Handeln - auf die Art wie Papst Franziskus es vorlebt. Denn er beweist vielfach Mut und Furchtlosigkeit. Er bricht dahin auf, wohin viele sich nicht hin trauen: in Obdachlosenunterkünfte, in Gefängnisse und Krisengebiete. Mutiges und furchtloses Aufbrechen - diese pfingstlichen Eigenschaften brauchen wir in unserer Kirche mehr und mehr.

Und an welchen Stellen sind die konservativen Positionen der Kirche wichtig?

Berger Innerkirchlich ist es sicherlich das Bewahren der Hierarchie mit dem Amt des Papstes, welches die Einheit darstellt und garantiert. Darüber hinaus ist die Kirche in jedweder Gesellschaft Anwältin des Lebens. Manchmal hat man leider den Eindruck, sie ist mit dieser Anwaltschaft alleine auf weiter Flur. Das sollte uns sehr zu denken geben.

Was glauben Sie - fällt es Gott wohl manchmal schwer, seine Schöpfung ganz vorbehaltlos zu lieben?

Berger Es ist eben göttliche Liebe, und die ist mit unseren Maßstäben nicht zu bemessen - wenn sie überhaupt zu bemessen ist. Ich glaube auf jeden Fall, dass sie stets und immer gilt. Zugleich hat sich diese Liebe in Jesus Christus als mitfühlend und verwundbar gezeigt. Es muss Gott deshalb wohl so manches Mal schmerzen, wie wir miteinander und nicht zuletzt mit seiner Schöpfung umgehen.

Wie kann man den Menschen angesichts von Terror, Umweltzerstörung und Katastrophen die Liebe Gottes nachhaltig vermitteln?

Berger Diese Liebe ins Spiel zu bringen, beinhaltet immer auch den Blick auf das Kreuz. Dieser Gott hat um das Kreuz keinen Bogen gemacht. Er selbst hat es getragen. Er selbst hat daran gehangen. Er selbst ist daran gestorben. Welcher Gott könnte Leid anhören, verstehen und nachvollziehen, wenn nicht dieser zu Tode gemarterte Gottessohn? Wer im Glauben steht, erkennt ihn vielleicht sogar mehr in der Niederlage als im Erfolg und fühlt sich von ihm intensiver begleitet und getragen in der Trauer als in der Freude.

Wo sehen Sie persönlich diese Liebe Gottes besonders eindrücklich?

Berger Die Liebe Gottes vermag durch jeden Menschen in diese Welt hineinzuscheinen. Dies bereits in kleinen oft unscheinbaren Gesten. Aber ich habe auch Beispiele vor Augen, wo Menschen sich in Notsituationen sehr handfest und in besonderer Weise beistehen. Wenn Familienangehörige, Freunde oder gar völlig fremde Menschen einander unter die Arme greifen, weil jemand aufgrund von Krankheit oder Unfall in Not geraten ist. Auch hier hat Liebe etwas mit Verantwortung zu tun - vor Gott und seinem Nächsten.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER

(RP)
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