Hückeswagen Kaum Gastfamilien - "Freundeskreis Tschernobyl" steht vor Auflösung

Hückeswagen · Eine Ära geht zu Ende. Mehr als 20 Jahre hat sich der Freundeskreis für Tschernobylkinder in Hückeswagen um weißrussische Mädchen und Jungen aus dem nach der Reaktorkatastrophe 1986 völlig verstrahlten Gebiet gekümmert. Regelmäßig ermöglichten Gastfamilien Kindern aus den Dörfern Toniez und Milosovice einen vierwöchigen Erholungsurlaub in der Schloss-Stadt. Damit ist jetzt Schluss.

Schon für dieses Jahr haben sich nicht mehr genügend Familien gemeldet, die für vier Wochen ein Kind aus Weißrussland bei sich aufnehmen wollten. Deshalb hatte der Verein bereits bei der Jahresversammlung im März mit einer Gegenstimme beschlossen, sich aufzulösen. Morgen Abend soll das nun geschehen. Die Mitglieder treffen sich um 19.30 Uhr im Restaurant Hofgarten an der Kölner Straße.

"Es wird immer schwieriger, Gastfamilien zu finden", sagt der Vorsitzende des Vereins, Jörg von Polheim. Zehn Eltern würden benötigt, gerade mal vier hätten sich in diesem Jahr gemeldet und bereiterklärt, ein Kind aufzunehmen. Eigentlich sollten heute zehn Kinder aus Weißrussland in Hückeswagen ankommen, um sich hier zu erholen. "Denn gesundes Essen und gesunde Luft gibt es in ihrer Heimat auch 28 Jahre nach der Reaktorkatastrophe noch nicht", sagt von Polheim. Das liege auch daran, weil sich die Menschen in Weißrussland vornehmlich aus eigenem Anbau ernähren. Von Polheim glaubt, dass die persönliche Betroffenheit der Menschen in Hückeswagen nachgelassen hat. Tschernobyl sei mittlerweile zu weit weg. "Meine Frau war mit unserem ältesten Sohn schwanger, als das Unglück passierte. Er wird 28 Jahre", sagt der Vorsitzende. Dem Verein sei es immer wichtig gewesen, persönliche Kontakte aufrechtzuerhalten. "Wir wollten nie nur Hilfspakete schicken und könnten das auch nicht", sagt er. Andere Städte seien größer und könnten solche Transporte besser stemmen. Auch in einer Jugendherberge wollte der Verein die Kinder niemals unterbringen.

In den beiden Dörfern herrscht großes Bedauern über die Entwicklung, aber auch Verständnis, sagt von Polheim. Ihm ist es ein Anliegen, dass es auch künftig persönliche Kontakte in die beiden Dörfer geben wird und man den Menschen freundschaftlich verbunden bleibt. "Auf privater Ebene werden wir die Arbeit sicher fortsetzen", kündigt er an. Jetzt müsse man aber leider einen klaren Strich ziehen. "Ich gehe davon aus, dass der Verein aufgelöst wird, dann wäre er am Donnerstag schon Geschichte", sagt er.

Den Kassenbestand von etwa 8000 Euro will der Verein sinnvoll für die Kinder in Weißrussland einsetzen und Kinderspielplätze möglichst in beiden Dörfern bauen lassen. Für von Polheim ist die Auflösung kein einfacher Schritt, immerhin war er mehr als fünf Jahre Vorsitzender des Freundeskreises. Die Auflösung sei ein einschneidendes Ereignis. "Ich mache das nicht gerne, aber Ziel und Zweck sind nicht mehr erfüllbar", sagt er. Gerne hätte er noch ein paar Jahre Gutes bewirkt, "aber wir haben viel Positives getan", sagt er.

Morgen, Mi. 4. Juni, 19.30 Uhr, Restaurant Hofgarten, Kölner Straße.

(RP)
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