Hückeswagen Kampf gegen Windmühlen

Hückeswagen · Allein in Hückeswagen hat der Orkan „Kyrill“ 12 000 Festmeter Holz entwurzelt oder geknickt. Jetzt wird in den betroffenen Waldgebieten aufgeräumt. Die BM beobachtete zusammen mit Revierförster Heiner Grüter die Arbeiten in einem Waldstück in Neumühle.

Es hat etwas von „Terminator“: Wie in einem Science-Fiction-Film mutet es an, wenn der Harvester innerhalb von Sekunden einen mehrere Meter langen und bis zu 30 Zentimeter dicken Baumstamm entastet und zersägt. Vor allem wenn die fest installierte Motorsäge hinunter fährt und den Stamm in Sekundenbruchteilen zerteilt, erinnert das an Roboter aus der cineastischen Zukunft. Doch das Ganze ist durchaus irdisch und seit dem verheerenden Orkan traurige Realität: Wie hier im Wald von Neumühle auf Wipperfürth-Hückeswagener Grenzgebiet nahe Wipperfeld sind die Mitarbeiter von Fachfirmen seit Januar im Dauereinsatz, um die Folgen der Naturkatastrophe zu beseitigen.

Von den auf Hückeswagener Gebiet 12 000 Festmetern (ein Festmeter = ein Kubikmeter feste Holzmasse) gefällten Bäumen „ist erst ein Viertel aufgearbeitet“, sagt Heiner Grüter. In der Hauptsache sind Fichten betroffen. Kein Wunder, waren die Fachfirmen doch größtenteils erst einmal in den Hauptschadengebieten Sauerland und Siegerland mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. „Wir liegen hier an der Peripherie der betroffenen Gebiete“, meint der Förster. Bei solch einer Feststellung möchte man sich nicht vorstellen, wie es in den Wäldern südlich und westlich des Bergischen Landes aussehen mag. . .

Die Arbeiten in den betroffenen Wäldern sind nicht ungefährlich. „Das Holz steht unter Spannung“, macht Grüter deutlich. Weil der Wind am 18. Januar zunächst aus südwestlicher und dann aus westlicher Richtung kam, liegen die Bäume wie Mikado-Stäbe über- und durcheinander. „Da wirken jetzt hohe Spannungskräfte“, betont der Förster. Deshalb warnt er erneut vor Spaziergängen in den Wäldern.

Aber auch die Aufräumarbeiten sind brandgefährlich. „Am besten ist es, maschinell vorzugehen – etwa mit Harvester und Rückemaschinen“, unterstreicht Grüter. Alleine den Orkanschäden zu Leibe rücken zu wollen, sei fast schon selbstmörderisch. „Profis gehen niemals alleine. Sie sind immer zu Zweit, besser noch zu Dritt.“

Während er erzählt, ruckelt hinter ihm ein so genannter Vorwarder den steilen Abhang hinunter. Diese Art forstwirtschaftlicher Traktor ist mit einem Anhänger verbunden, auf den der Fahrer mittels Kran die Baumstämme hievt. Er hält kurz an, nimmt ein weiteres Dutzend unterschiedlich langer und dicker Baumstämme auf und zockelt dann – voll beladen – auf den rund 50 Meter unterhalb liegenden Waldweg zu.

Dort lagern bereits mehrere Stapel entastete und entrindete Holzstämme. Diese so genannten Sortimente sind speziell ihrer industriellen Verwertung aufschichtet worden: 4,10 Meter lange Abschnitte für die Sägeindustrie (Balken, Kanthölzer), drei Meter langes Industrieholz wie etwa Spanplatten oder 2,50 Meter langes Palettenholz. Auch Papierholz (zwei Meter) war lange gestapelt worden, doch ist damit erst einmal Schluss – „der Markt dafür ist zu“, bedauert Grüter.

Apropos: Neben dem Borkenkäfer ist für die Forstwirtschaft und die Waldbesitzer ein weiteres Problem aufgetaucht – das Holz fließt nicht mehr ab. „Der Markt ist einfach verstopft“, berichtet der Förster. Die Holzindustrie kann den Nachschub kaum noch verarbeiten. Dazu ist die Kapazität der Fuhrunternehmen begrenzt: Ein Lkw transportiert 30 Festmeter ab – allein in Hückeswagen liegen 12 000 darnieder.

So zieht Grüter ein konsternierendes Resümee: „Wir kämpfen gegen Windmühlen!“ Doch der Harvester zerteilt wacker weiter.

(RP)
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