Mein erster Schultag In nur fünf Minuten bis zum Klassenzimmer

Hückeswagen · Justizminister Peter Biesenbach erinnert sich an seine Zeit als i-Dötzchen von der Weierbachstraße.

 Justizminister Peter Biesenbach mit Schultüte auf der Treppe seiner ehemaligen Grundschule – die Katholische Stadtschule, aus der später die Katholische Grundschule wurde.

Justizminister Peter Biesenbach mit Schultüte auf der Treppe seiner ehemaligen Grundschule – die Katholische Stadtschule, aus der später die Katholische Grundschule wurde.

Foto: Stephan Büllesbach

Dass zweieinhalb Monate später eine der größten Sportsensationen die Welt im Allgemeinen und Deutschland im Besondern aufrütteln würde, konnte Ostern 1954 niemand wissen. Erst recht nicht ein kleiner blonder Bub, der mit zugeknöpftem karierten Hemd, gestreifter Knopfweste, Jacke und einer Spange im Haar, den neuen Ranzen auf dem Rücken und die strahlend blaue Schultüte in den Armen, den (kurzen) Weg zur Einschulung antrat. Im April 1954 begann die Karriere von Peter Biesenbach, der damals noch weniger ahnen konnte, 63 Jahre später zum nordrhein-westfälischen Justizminister vereidigt zu werden.

Der heute 71-jährige Hückeswagener CDU-Politiker kann sich nicht mehr an alles erinnern, was vor mehr als 65 Jahren passiert ist. Dass seine Schultüte aber „verdammt“ schwer war, weiß er noch. Gefüllt mit viel Obst (gesund), jeder Menge Süßigkeiten (eher ungesund) und Requisiten für die Schule wie Griffeldose, Malstifte und Lineal (wichtig) hatte sie ein nicht zu unterschätzendes Gewicht für einen gerade mal sechsjährigen Knirps.

Apropos Süßigkeiten: Die sind Biesenbachs Laster: „Ich war und bin ein Freund aller süßen Sachen“, verrät Biesenbach, dem das aber wahrlich nicht anzusehen ist. Dennoch kommt der Justizminister zum Beispiel an Eis nur schwer vorbei, und auch Lakritz kann er selten widerstehen. Das mag daran liegen, dass direkt neben der Wohnung an der Weierbachstraße das Lebensmittelgeschäft Broichhaus stand, wo er als Kind häufig eingekehrt sei. Die Öffnungszeiten waren unregelmäßig – „wenn man etwas brauchte, hat man einfach geklingelt“. Und für zehn Pfennig gab’s in den 50ern jede Menge Süßes in die Tüte.

 Peter Biesenbach als sechsjähriges i-Dötzchen Ostern 1954, dem Tag seiner Einschulung.

Peter Biesenbach als sechsjähriges i-Dötzchen Ostern 1954, dem Tag seiner Einschulung.

Foto: Biesenbach

Es war Oma Maria, die Klein-Peter an seinem ersten Schultag in die Katholische Volksschule begleitete. „Meine Mutter konnte nicht, denn meine Schwester war sechs Wochen zuvor geboren worden“, blickt Biesenbach zurück. Die hatte lange als Verkäuferin im Lebensmittelgeschäft Höhfeld gearbeitet, ehe sie als Krankenschwester im Marienhospital arbeitete. Sein Vater war Elektriker und arbeitete in der Papiersackfabrik in Hämmern.

Keine 400 Meter und nur etwa fünf Minuten musste er als Knirps von der elterlichen Wohnung an der Weierbachstraße bis zur Schule an der Kölner Straße, die von Rektor Aloys Neuhäuser geleitet wurde, zurücklegen: „Das war der kürzeste Weg zu einer ,Arbeitsstätte', den ich jemals hatte“, merkt der Justizminister und Jurist mit dem für ihn typischen Lächeln an. Fast das gleiche Lächeln, das er auch am ersten Schultag dem Fotografen zeigte.

Die Schule sei für ihn so etwas wie eine vertraute Umgebung gewesen, erzählt er: „Meine Klassenlehrerin war Frau Höffer, die Tochter von unserem Hausarzt Dr. Fuß.“ Doch trotz dieser persönlichen Beziehungen gab es keine Sonderbehandlung für Peter, das i-Dötzchen: An einem der ersten Tage in der Schule setzte es von der Lehrerin gleich eine Ohrfeige. Warum? „Ich hatte mich geärgert und wollte nicht beim Ringelpitz mit Anfassen mitmachen“, erzählt Biesenbach.

Sein Lieblingsfach war Rechnen – „das fiel mir irgendwie leicht“. Aber auch Schönschrift mochte Biesenbach. „Ich kann sogar noch Sütterlin schreiben und lesen“, versichert er. 1958 wechselte er schließlich auf die Realschule. „Auch hier hatte ich wieder den Vorteil der kurzen Wege“, sagt er lächelnd. Denn im äußersten Fall benötigte Peter Biesenbach zehn Minuten zu Fuß zur Schule, vorbei am Weierbach und über den Friedhof. So dauerte es nach Unterrichtsschluss auch nicht lange, bis er draußen spielen konnte. Ab dem Alter von 14 Jahren verdiente er schließlich sein erstes Geld: „Ich habe für die Wäscherei von Karl-Friedrich Kotthaus an der Bongardstraße Wäsche ausgefahren – mit dem Handkarren“, erinnert sich der 71-Jährige. Vom Wäscheauslieferer zum Minister – solche Karrieren gelingen auch in Amerika, dem Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, nur den wenigsten.

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