Hückeswagens Bürgermeister Dietmar Persian im Interview Eine starke Gesellschaft in der Krise

Hückeswagen · Die Corona-Krise hält Hückeswagen fest im Griff. Der Bürgermeister spricht im Interview über die aktuelle Lage.

 Bürgermeister Dietmar Persian in seinem Homeoffice.

Bürgermeister Dietmar Persian in seinem Homeoffice.

Foto: Persian

Herr Persian, seit Montag vergangener Woche gilt das vom Land angeordnete Kontaktverbot. Kontrolliert wird dessen Einhaltung unter anderem vom Ordnungsdienst der Stadt Hückeswagen Wie wird das Verbot eingehalten?

Persian Die Hückeswagener halten sich insgesamt sehr gut an die behördlichen Vorgaben.

Mussten die Kolleginnen und Kollegen von den Ordnungsstreifen schon ein Bußgeld von mindestens 200 Euro aussprechen, weil sich jemand nicht an das Kontaktverbot gehalten hat?

Persian Natürlich hatten wir den einen oder anderen Fall, in dem Polizei oder Ordnungsstreife Passanten noch einmal auf Regeln hingewiesen haben. Oder auch nachfragen mussten, wenn mehr als zwei Personen unterwegs waren, beispielsweise als Familie. Ein Bußgeld haben wir aber bisher nicht verhängen müssen.

In den Tagen, bevor das Kontaktverbot ausgesprochen wurde, hielten sich viele nicht an die Anweisungen, mindestens 1,50 Meter Abstand zueinander zu halten. Manche trafen sich sogar noch zu sogenannten Corona-Partys. Wie erklären Sie sich das veränderte Verhalten?

Persian Die meisten Menschen sind dann bereit, sich an Regeln zu halten, wenn sie sie verstehen. In den vergangenen Tagen ist aus meiner Sicht gut erklärt worden, warum Abstand halten ganz wichtig ist. Da haben die Regierungen gut gearbeitet. Auch die Medien und ein Podcast des Virologen Christian Drosten tragen sicher dazu bei, den Ernst der Lage zu begreifen.

Neben dem Kontaktverbot gilt nun auch die Schließung von nicht-systemrelevanten Geschäften. Aus Großstädten ist zu hören, dass sich manche Geschäftsleute nicht daran gehalten haben. Wie sieht’s in der Kleinstadt Hückeswagen aus?

Persian Mit den Geschäftsleuten und Gastronomen in Hückeswagen haben wir viele Gespräche geführt. Sie haben große Sorgen, die ich sehr gut verstehen kann. Sie halten sich natürlich an die strengen Regeln, aber sie sind auch kreativ, worüber ich mich sehr freue. Viele bieten jetzt einen Lieferservice an – und zeigen damit wieder einmal, wie leistungsfähig die Händler in Hückeswagen sind. Auch aus dieser schwierigen Lage machen sie das Beste.

In anderen Kommunen gibt es inzwischen „Hobby-Denunzianten“, die bei der Stadtverwaltung anrufen und Menschen anschwärzen, die angeblich den Mindestabstand nicht wahren. Ist dieses Phänomen auch schon in Hückeswagen aufgetaucht?

Persian Nein, keine Denunzianten. Aber was es schon gibt, sind Nachfragen, auch kritischer Natur, ob das denn so zulässig ist. So hatten wir beispielsweise am Wochenende einige Hinweise auf Motorradfahrer, die sich an der Bever aufhielten. Das haben Polizei und Ordnungsdienst auch überprüft, aber keine Verstöße gegen die Regelungen festgestellt.

Wann könnte es wieder mit den Sitzungen der politischen Gremien losgehen? Es stehen schließlich einige wichtige Entscheidungen an.

Persian Zurzeit können wir keine Sitzungen machen. Mit den Fraktionsvorsitzenden bespreche ich mich aber regelmäßig im Rahmen einer Telefonkonferenz. Für Mai sind turnusmäßige Sitzungen der Fachausschüsse und des Hauptausschusses vorgesehen. Aus heutiger Sicht sollten diese auch stattfinden können.

Auch wenn Sie im Homeoffice oder in ihrem Büro im Schloss arbeiten, so haben Sie doch weiter Kontakte zu vielen Hückeswagenern. Was – mal abgesehen vom fehlenden Toilettenpapier – beschäftigt die Menschen?

Persian Viele Gespräche beziehen sich auf die ungewisse wirtschaftliche Entwicklung. Neben den Einzelhändlern und anderen Dienstleistern sind das auch unsere kleineren und größeren Industriebetriebe, bei denen es im Moment noch relativ gut läuft. Aber auch sie wissen natürlich noch nicht, ob und wie sie die Verwerfungen in der Weltwirtschaft treffen werden.

Sie haben doch bestimmt auch Kontakt zu Hückeswagenern, die am Coronavirus erkrankt sind. Wie geht es denen? Und welche Sorgen haben sie in erster Linie?

Persian Mit dem Kreis haben wir uns verständigt, dass die Menschen, die den Virus in sich tragen, nur direkt vom Gesundheitsamt angesprochen und betreut werden. Darum habe ich bisher noch mit niemanden gesprochen, bei dem das Abstrichergebnis positiv war. Viele Gespräche hatte ich aber mit Leuten in angeordneter Quarantäne. Da gibt es zunächst einmal die Spannung, wie das Testergebnis sein wird. Richtige Sorgen für sich selbst habe ich nicht heraus gehört, aber die Angst, möglicherweise einen nahen Angehörigen aus den Risikogruppen angesteckt zu haben.

Blicken wir mal in die Zukunft, wenn die Einschränkungen wieder aufgehoben worden sind und in Hückeswagen der Alltag Einzug gehalten hat. Was, glauben Sie, wird sich dann verändert haben?

Persian Die Hückeswagener stehen ganz fest zusammen. Nicht nur in der Krise, aber jetzt ganz besonders. Ich verspüre sehr deutlich einen großen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das zeigt sich bei den Helfern für ältere Menschen, unter Nachbarn und in den Familien. Aber das zeigt sich auch unter den Mitarbeitern in den Firmen, in den Pflegeeinrichtungen oder bei uns im Rathaus. Alle sind bereit, sich auf geänderte Situationen einzustellen, machen engagiert mit und nehmen Rücksicht aufeinander.

Was kann, was sollte man aus der Corona-Krise lernen? Und was sollte man unbedingt behalten, was sich derzeit entwickelt?

Persian In den Unternehmen und auch bei uns in der Verwaltung gibt es im Moment einen beachtlichen Digitalisierungsschub. Telefon- und Videokonferenzen sind ganz normal geworden, viele Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice – und siehe es funktioniert, sogar ganz gut. Das müssen wir unbedingt behalten, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen und auch den Arbeitsalltag viel flexibler zu gestalten.

Hält die Corona-Krise also vielleicht Positives für die Zukunft bereit?

Persian Ja, das glaube ich schon. Diese Krise zeigt uns, wie stark wir als Gesellschaft sind: Wir nehmen Rücksicht gerade auf die Alten und Schwächeren. Es ist uns überhaupt nicht egal, was mit den Menschen an unserer Seite passiert. Um ihnen zu helfen, sie vor Schaden zu bewahren, unternehmen wir eine riesige Kraftanstrengung. Und wir zeigen: Menschen sind viel wichtiger als Geld.

Gibt es bei Ihnen und Ihrem Rathaus-Team eventuell schon Überlegungen, manchen Plänen eine Art Neustart zu verordnen?

Persian Dafür ist es im Moment noch zu früh. Im Moment geht es darum, den Alltag zu bewältigen. Aber wir werden sicherlich im Laufe des Jahres noch einmal die anstehenden großen Projekte neu bewerten müssen. Müssen wir eventuell die Prioritäten verändern, Maßnahmen vorziehen und andere nach hinten schieben? Das ist dann aber keine einsame Entscheidung der Leute im Rathaus, sondern das müssen wir gemeinsam mit unseren Kommunalpolitikern und den Menschen in der Stadt diskutieren.

So manchen in Hückeswagen fällt die Decke auf den Kopf, andere sind ängstlich. Machen Sie doch bitte vor allem diesen Menschen Mut.

Persian Mir persönlich hilft in schweren Zeiten immer der Blick auf die scheinbar kleinen, aber schönen Dinge: das Vogelgezwitscher am Morgen, der strahlendblaue Himmel, ein spielendes Kind, ein genussvoller Spaziergang durch den Wald, das Balkonsingen von gegenüber oder das gute Buch am Abend. Und natürlich das Gespräch mit guten Freunden – das geht auch, wenn man nicht zusammenkommen kann.

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