Hückeswagen Immer mehr Hückeswagener verschuldet

Hückeswagen · Durch hohe Energiekosten machen immer häufiger junge Familien Schulden. Auch viele ältere Menschen tappen in der Schloss-Stadt in die Schuldenfalle. Die Schuldnerberatung der Caritas mit Michael Rogalski unterstützt die Betroffenen.

 Die Privat-Insolvenz ist für viele Schuldner der letzte Ausweg. Derzeit beträgt die Wartezeit für ein Insolvenz-Beratungsgespräch acht Wochen.

Die Privat-Insolvenz ist für viele Schuldner der letzte Ausweg. Derzeit beträgt die Wartezeit für ein Insolvenz-Beratungsgespräch acht Wochen.

Foto: Seybert (Archiv)

Die Zahl der Hückeswagener mit Schulden steigt. Das sagt Michael Rogalski, Schuldnerberater des Caritasverbands Oberberg und für die Schloss-Stadt zuständig. "Seit Anfang des Jahres stellen wir fest, dass mehr Menschen unsere Sprechstunde besuchen", sagt er. Derzeit müssten sie acht Wochen auf ein Insolvenz-Beratungsgespräch warten. Normal beträgt die Wartezeit vier Wochen. Auch immer mehr Senioren seien unter den Ratsuchenden — "die Altersarmut nimmt stark zu", sagt Rogalski. Ein Drittel mehr Schuldner über 60 Jahren als im Vorjahr kämen zur Beratungsstelle.

Die Firma Creditreform in Solingen, die als Wirtschaftsauskunftei Daten von Verbrauchern sammelt, hat ermittelt, dass in Hückeswagen Ende vergangenen Jahres 565 Personen überschuldet waren, 2002 waren es 507 — ein Plus von 11,4 Prozent. Männer sind mit 322 stärker betroffen als Frauen (243). 2012 gingen 178 Hückeswagener in die Verbraucherinsolvenz (90 Männer und 88 Frauen). Von 2010 bis 2012 schlossen nach Angaben der Creditreform 50 Hückeswagener ihre Insolvenzverfahren ab. Allerdings sei die Rückfallquote sehr hoch. Niedrige Renten, Leiharbeit und hohe Energiekosten sind meist die Gründe für den Saldo.

Der durchschnittliche Schuldner in Hückeswagen ist zwischen 30 und 40 Jahre, berichtet Rogalski. Viele würden in dem Alter versuchen, sich selbstständig zu machen, eine eigene Existenz aufzubauen und eine Familie zu gründen. "Dann kommt eine Auto-Finanzierung dazu — und wenn Kinder kommen, muss eine größere Wohnung her", sagt der 59-Jährige. Gerade für junge Familien mit kleinen Kindern sei es in Hückeswagen schwierig, günstigen Wohnraum zu finden. "Der Wohnungsmarkt wird immer enger. Die Familien sind gezwungen, in alte Wohnungen zu ziehen." Die seien oft energietechnisch nicht auf dem neuesten Stand. "Da heizen die die Straße gleich mit, und das ist teuer", sagt Rogalski.

Vor allem mit hohen Energiekosten würden sich viele verschulden. "Ich habe Schuldner bei mir sitzen, die haben mehr als 2000 Euro Stromschulden. Da frage ich mich oft auch als Experte, wie es so weit kommen kann." Rogalski fordert: "Es muss mehr bezahlbare Wohnungen geben." Doch helfen tut das den Schuldnern nicht mehr. Hier ist oft direktes Handeln notwendig, um Schlimmeres zu verhindern. "Unsere Aufgabe ist es, das zu retten, was noch zu retten ist." In der Praxis bedeute das, Telefonate zu führen und mit den Gläubigern Konditionen auszuhandeln, die dem Schuldner Freiraum schaffen.

Das können vor allem Ratenzahlungen sein. Doch hier lauert die nächste Schuldenfalle: "Viele Ratenzahlungen werden viel zu hoch angesetzt. Das ist ein Teufelskreis", sagt Rogalski. Er habe schon erlebt, dass Schuldner von Kreditinstituten terrorisiert werden. "Die haben nachts angerufen und den Forderungen mit entsprechendem Personal Ausdruck verliehen", berichtet er. "Das war richtig kriminell."

Meistens führe der Weg nicht an einer Privat-Insolvenz vorbei, sagt der Experte. "Da heißt es dann, sechs Jahre am Existenzminimum zu leben, bis man die Schulden los ist." Wichtig sei aber, dass die Schuldner möglichst früh ihre Hemmschwelle überwinden und zur Beratung kommen. Auch ohne Schulden sei ein Gespräch oft sinnvoll, sagt er. "Da geht es auch um präventive Maßnahmen, um gar nicht erst Schulden zu machen." Das sei auch für einen 60-Jährigen noch wichtig, meint Rogalski. Seine Erfolgsquote liege bei 100 Prozent. "Meistens ergibt sich nach kurzer Zeit eine Besserung. Das ist die schöne Seite des Berufs."

(RP/ac)
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