Hückeswagens Partnerstadt Missbilligung auf französisch

Etaples · Auch in Hückeswagens Partnerstadt Etaples gehen die Menschen gegen die Pläne für die Rentenreform des französischen Präsidenten auf die Straße – und dreschen mitunter auf einen Pott ein.

In Frankreich wird gegen die Obrigkeit gerne auch mal mittels Einschlagens auf einen Kochtopf protestiert – wie aktuell egegen die Pläne zur Rentenreform.

In Frankreich wird gegen die Obrigkeit gerne auch mal mittels Einschlagens auf einen Kochtopf protestiert – wie aktuell egegen die Pläne zur Rentenreform.

Foto: Bornkessel

In seinem großen „Wörterbuch der Küche“ hatte der Romancier Alexander Dumas der Ältere, auch bekannt als Autor des „Grafen von Monte Christo“ und der „Drei Musketiere“, zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein Loblied auf die Kasserole verfasst. Was wäre die französische Küche ohne jenen Stielkochtopf, schrieb er, in dem die köstlichsten Braten und Soßen fabriziert würden. Dumas mahnte, diese aus Kupfer getriebenen Behältnisse auch sorgfältig zu pflegen. Manche seiner Zeitgenossen hatte das jedoch nicht daran gehindert, rabiat mit Kochlöffeln auf sie dreinzuschlagen.

Mit ohrenbetäubendem Lärm ging das hungernde französische Volk seit jeher auf die Straßen, um dagegen zu protestieren, dass sich in seinen Töpfen kein Huhn befinde. Das war einst ein Versprechen von König Heinrich IV. gewesen, dass ein jeder in seinem Reich dieses Stück Fleisch abbekommen sollte. Wütend darüber, wie zurzeit unter Präsident Emmanuel Macron die Rentenreform durchgesetzt wird, hat man sich dieser Protestart auch jetzt wieder besonnen. Bereits 2016, als unter François Hollande ein umstrittenes Arbeitsgesetz ins Parlament gebracht werden sollte, hatten dessen Gegner dazu aufgerufen, jeden Montag in der Werbepause kurz vor den Abendnachrichten um 20.50 mit den Schmortöpfen ein charivari – eine Katzenmusik – zu veranstalten.

Der Krach dieser casserolades, der nun auch in Hückeswagens Partnerstadt Etaples-sur-Mer zu hören war, hat mit dem 1. Mai wieder zugenommen. Seit dem Beginn der landesweiten Proteste im März, die von Streiks und heftigen Übergriffen aufseiten der Demonstranten wie der Sicherheitskräfte begleitet wurden, kommt das Nachbarland nicht zur Ruhe. Die Gewerkschaften haben nun einen nationalen Protesttag für kommenden Dienstag, 6. Juni, festgesetzt.

In der Tat scheint der Einsatz von Küchengeschirr ein letztes, nahezu verzweifeltes Mittel, sich nicht länger all die Erklärungen, Versprechungen oder Ausflüchte seitens der Regierenden anhören zu wollen. Der Schlag auf den Pott wird zur ohnmächtigen Demonstration von Spott und tiefer Verachtung. Er ist ein Signal an die abgehobene Welt der Politik, dass es auch noch Menschen außerhalb ihrer Welt gibt und dass sie sich nur so bemerkbar machen können.

Dieser kollektive Lärm auf den Straßen ist ein ähnliches Ventil für den Verdruss, der vor Jahren schon die Protestierenden mit den gelben Westen antrieb. Wie sie wehren sich die Franzosen sich gegen Ungerechtigkeit und Teuerung, blockieren aber nicht gleichzeitig Straßen und behindern nicht andere in ihrer Bewegungsfreiheit. Die kochende Volksseele zwingt sich zum lautstarken Gewaltverzicht: Wer auf den Topf drischt, wirft keine Steine, legt kein Feuer, baut keine Barrikaden. Nicht viel anders sind die Konzerte der Trillerpfeifen, Rasseln und Hupen bei deutschen Gewerkschaftern zu verstehen.

Bei allem Verständnis für die Motive der Demonstranten mehren sich in Frankreich die wohlmeinend-kritischen Stimmen jener, die auf die historischen Wurzeln dieser Art von Protest hinweisen. Die lärmschlagende Menge hat es nie auf einen Disput mit denen angelegt, die sie – aus welchen Gründen auch immer – mit ihrem akustischen Chaos terrorisierten. Sie wollte vom anderen einfach nichts mehr hören. Offenbar entnervt von jeglichem Schlagabtausch der Argumente zwischen unten und oben, verzichtete man auf eine sachliche Auseinandersetzung.

So verständlich diese Haltung aus psychologischen Gründen auch sein mag, heißt es nun doch, eine Katzenmusik, dass die allseits auf taube Ohren trifft, ohne die geduldige, die kontinuierliche Darlegung der eigenen Bedürfnisse und Forderungen, nur ein Zeichen der Ohnmacht und Resignation ist. Der Rest sei Schweigen – auch bei den nächsten Wahlen.

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