Hückeswagener Orts- und Straßennamen Pleuse – wo einst die Kühe im Keller standen

Pleuse · Wo früher vier Bauernhöfe das Erscheinungsbild prägten, ist nahe der Stadtgrenze zu Radevormwald inzwischen eine kleine Siedlung mit 18 Eigenheimen entstanden. Einige alteingessene Einwohner erinnern sich an frühere Zeiten.

 Friedel und Martha Walder (l.) und Irmhild und Werner Thiele mit Enkel Noah leben gerne in Pleuse.

Friedel und Martha Walder (l.) und Irmhild und Werner Thiele mit Enkel Noah leben gerne in Pleuse.

Foto: Heike Karsten

Ein Gesamtbild von der Außenortschaft Pleuse nahe der Stadtgrenze zu Radevormwald ist wohl nur aus der Luft möglich, zu verwinkelt und kurvig zieht sich die schmale Straße von der B 483 aus durch die Siedlung. Zu den langjährigen Anwohnern zählen Irmhild (75) und Werner Thiele (78) sowie Martha (81) und Friedel Walder (77). Sie können sich an die Zeit von vor mehr als 50 Jahren erinnern, als es in Pleuse noch weniger Häuser gab, die Straße ein Schotterweg war, die Kühe im Keller standen und ein riesiger alter Ahornbaum wie eine Art Wahrzeichen die Ortschaft prägte. Heute markiert ein unübersehbarer Mobilfunkmast die Einfahrt zu Pleuse, und an den Ahorn erinnern nur noch alte Schwarzweiß-Aufnahmen.

Die Baumwurzeln wurden durch die Verlegung der Wasserleitung um 1960 und später durch die Erdarbeiten für die Telefonleitungen dermaßen beschädigt, dass er keine Überlebenschancen hatte und abstarb. 1968/69 musste der Baum endgültig gefällt werden. „Beim Fällen konnte ich nicht zusehen und bin weggefahren“, erinnert sich Irmhild Thiele mit schwerem Herzen an diese Aktion.

  Vorfahren von Martha Walder: die Großeltern Ewald und Anna Huckenbeck (l.), ihre Mutter Emilie sowie deren Geschwister Emmi und Alexander.

Vorfahren von Martha Walder: die Großeltern Ewald und Anna Huckenbeck (l.), ihre Mutter Emilie sowie deren Geschwister Emmi und Alexander.

Foto: Privatbesitz Martha Walder

Im 19. Jahrhundert wurde das Erscheinungsbild der Ortschaft von den vier Bauerhöfen bestimmt, zwei gehörten der Familien Huckenbeck, einer der Familie Kirschsieper. Aus alten Dokumenten geht hervor, dass die Huckenbecks bereits 1890 in Pleuse gelebt hatten. Es sind die direkten Vorfahren der Familie vom Stein und auch von Martha Walder.

Von dem einst großen, mehr als 100 Jahre alten Fachwerk-Doppelhaus existiert heute nur noch eine Hälfte. Die andere, in der Martha und Friedel Walder ihre Hochzeit gefeiert und bis zum Bau ihres Eigenheims gewohnt hatten, wurde abgerissen. Das umgebaute Haus der Familie vom Stein gibt es noch heute, in dessen Kellergeschoss früher sechs Kühe untergebracht waren. „Drei habe ich selbst noch erlebt“, sagt Werner Thiele, der seit 1964 ein Grundstück mit unverbaubarem Ausblick in Pleuse besitzt und dort ab 1966 ein eigenes Haus gebaut hat. „Mein Bruder hatte eine Baufirma, bei der ich als Maurer gearbeitet habe“, berichtet der 78-Jährige. An fünf Häusern der Ortschaft hat er eigenhändig mitgewirkt – zuletzt auch am Kellergeschoss für das Fertighaus seiner Tochter samt Familie.

 Ewald und Emma Huckenbeck mit Sohn Walter vor ihrem Haus in der Außenortschaft Peuse nach der Stadtgrenze zu Radevormwald, in dessem Keller einst die Kühe standen.

Ewald und Emma Huckenbeck mit Sohn Walter vor ihrem Haus in der Außenortschaft Peuse nach der Stadtgrenze zu Radevormwald, in dessem Keller einst die Kühe standen.

Foto: Privatbesitz Familie vom Stein/Privatbesitz Fam. vom Stein

Wer einmal in Pleuse gelebt hat, zieht nur ungern wieder fort. Die Abgeschiedenheit und Entfernung von der Innenstadt stört nicht einmal die jüngsten Anwohner, wie Noah Mobini. „Man kennt die ganze Nachbarschaft und macht auch viel gemeinsam“, erzählt der 13-Jährige. Bei Silber- und Goldhochzeiten schmücken die Nachbarn die Türen, und es gibt gemeinsame Osterfeuer. In Pleuse wird den älteren Anwohnern ab dem 75. Lebensjahr von den Mitgliedern der Evangelischen Kirchengemeinde ein Geburtstagsständchen gesungen, und auch das Martinssingen war bis vor einem Jahr ein beliebter Brauch. Jetzt sind die Kinder der Ortschaft dafür schon zu alt. „Ich würde ja noch gehen, aber es geht keiner mehr mit“, bedauert Noah, der mit seinem Aufsitzrasenmäher gerne in der Nachbarschaft aushilft und die Wiesen mäht.

Trotz der Nähe zur Nachbarstadt Radevormwald fühlen sich die Anwohner als „echte“ Schloss-Städter. „Die meisten Besorgungen machen wir in Hückeswagen, aber jeden Samstag gehe ich in einen kleinen Laden in Rade“, verrät Irmhild Thiele eine liebgewonnene Gewohnheit. Genug Vorräte habe man als Anwohner einer Außenortschaft sowieso immer im Haus, denn ohne Auto gehe es kaum. Einmal war Pleuse sogar komplett von der restlichen Welt abgeschnitten, als im Winter 1969/70 die Bundesstraße eingeschneit war. „Alle Autos waren zugeschneit, und sogar der städtische Schneepflug hatte sich festgefahren“, erinnert sich das Ehepaar Thiele. Auch heute noch wird in Pleuse im Winter nur die halbe Durchgangsstraße vom Schnee geräumt. „Das liegt daran, dass ein Teil der Straße ein Privatweg ist und keine öffentliche Straße“, erläutert Friedel Walder. Eine weitere Besonderheit in Pleuse ist, dass drei Anwohner aus verschiedenen Generationen am gleichen Tag (14. Juni) Geburtstag haben. „Die drei wohnen sogar direkt nebeneinander“, fügt Friedel Walder hinzu.

Die Ortschaft ist umgeben von einer wunderschönen, hügeligen Landschaft mit große Wiesen, Wäldern und Feldern, die die Namen „Im Kaulenstück“, „Auf der Fuhr“, „Auf dem Pleuser Feld“, „Hinter dem Fockenhauser Feld“, Buschdorn“ und „Auf den Hohen Sträuchen“ tragen. Wovon der Name „Pleuse“ sich ableitet, weiß niemand so genau. 2002/03 kamen noch sechs neue Häuser hinzu. Verbaut ist die kleine Außenortschaft dennoch nicht, da die Grundstücke sehr groß sind – ein Privileg der Außenortschaft gegenüber den engen Reihenhausparzellen der Innenstadt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort