Hückeswagen in der Haushaltssicherung Virus macht Haushalt nicht zur Makulatur

Hückeswagen · In der Serie geht es heute zum Abschluss um die Frage, ob die Pandemie ein bis jetzt gelingendes Konzept auf der Ziellinie doch noch zunichte macht. Zumindest können die Kosten dafür im Haushalt „separiert“ werden.

 Das Gewerbegebiet Winterhagen-Scheideweg aus der Luft – hier sind viele Betriebe angesiedelt, über die die Stadt ihre Gewerbesteuer bezieht.

Das Gewerbegebiet Winterhagen-Scheideweg aus der Luft – hier sind viele Betriebe angesiedelt, über die die Stadt ihre Gewerbesteuer bezieht.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Manche, die als politische Neulinge zur Wahl antreten und in den neuen Rat drängen, scheinen es ganz genau zu wissen und verkünden es auch laut: „Ich garantiere Ihnen, dass der Haushaltsausgleich 2024 nicht zu stemmen sein wird.“ Markus Lietza, Spitzenkandidat der erstmals in Hückeswagen antretenden AfD, sagte es im August bei der Diskussion der Kolpingsfamilie im Forum. Die Aussage stand im Zusammenhang mit der Frage, welche negativen Folgen die Pandemie für die Finanzen der Stadt hat und noch haben wird.

Die Pandemie hat natürlich wirtschaftliche Auswirkungen auf das „Unternehmen Stadt“. Was Lietza übersah oder nicht wusste: Die schlagen sich aber, anders als von ihm unterstellt, nicht unmittelbar im Haushalt nieder. Und also auch nicht im Haushaltssicherungskonzept (HSK), in dem der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben weiterhin, wie seit fünf Jahren, für 2024 rechnerisch dargestellt wird. Möglich wird das durch „Separierung“, auch „Isolierung“ genannt. Im Kern heißt das, dass alle durch die Pandemie bedingten Mehrkosten und Ertragsausfälle separat in der Bilanz verbucht werden. Sie werden quasi heraus gezogen aus dem Ergebnisplan des Haushalts, der die Gesamterträge, die Gesamtaufwendungen und damit auch das Jahresdefizit ausweist, das 2024 auf Null stehen soll. Dass mit der Pandemie per se der Haushaltsausgleich zur Utopie wird, ist also schlicht falsch.

Für die Kämmerei bedeutet das viel Arbeit – zusätzlich zu der, die in jedem Herbst für den Haushaltsentwurf des Folgejahrs und die Fortschreibung des HSK zu leisten ist. Stadtkämmerin Isabel Bever bestätigt: „Wir werden uns jede Ausgabe und jede Mindereinnahme genau daraufhin ansehen, ob es sich um eine Corona-Folge handelt. Man kann das sehr gut separieren, aber die Arbeit daran erstattet uns natürlich keiner.“ Die Separierung der durch die Pandemie bedingten Finanzfolgen ist kein „Coup“ der Hückeswagener Verwaltung, sondern soll landesweit so gehandhabt werden. Basis dafür wird ein Landesgesetz sein („Gesetz zur Isolierung der aus der Covid-19-Pandemie folgenden Belastungen der kommunalen Haushalte“), das im Entwurf vorliegt.

Die vom Ergebnisplan isolierte Liste wird lang. Mehrausgaben resultieren aus deutlich mehr Stunden des Ordnungsdienstes, Spuckschutz in öffentlichen Gebäuden, Desinfektionsmitteln auch für die Schulen und vieles mehr. Mindereinnahmen ergeben sich daraus, dass die Stadt auf Elternbeiträge zur Offenen Ganztagsschule und zu Kitas verzichtete oder sie kürzte, dass sie keine Räume vermieten und dafür Gebühren nehmen konnte, dass sie auch auf Gebühren für die Außengastronomie verzichtete und viele vergleichsweise kleinere Posten mehr.

Ein großer Posten wird es sein, Ausfälle bei der Gewerbesteuer zu bilanzieren. Isabel Bever: „Da ist die Situation schlimm – aber desaströs ist sie nicht.“ Aktuell laufen Anträge örtlicher Unternehmen auf Herabsetzung des Messbetrages. Insgesamt beziehen sie sich auf eine Summe von 700.000 Euro, das sind etwa zehn Prozent des ursprünglich geschätzten Gewerbesteuer-Aufkommens in 2020. Ob es am Ende dabei bleibt, wird von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängen. Unabhängig davon steht die Zusage im Raum, dass der Bund corona-bedingte Gewerbesteuer-Ausfälle zur Hälfte übernimmt.

Noch gar nicht aufgelistet und bilanziert werden können Folgen der Pandemie für die (zweifellos steigende) Kreisumlage oder die Anteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer, die vom Land an die Kommune fließen und zu den Haupterträgen im Ergebnisplan gehören. Landesweit warten die Stadtkämmerer gespannt auf die für September angekündigte Sonder-Steuerschätzung des Landes. „Daraus wird sich ergeben, was wir für unsere Haushaltsplanung erwarten dürfen“, sagt Isabel Bever. Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine seriöse Aussage dazu unmöglich – „das sind alles nur Annahmen und Momentaufnahmen“.

Sobald die vom Haushalt isolierte Auflistung der finanziellen Folgen der Pandemie vorliegt und bilanziert ist, außerdem Fragen etwa zur langfristigen Abschreibung geklärt sind, werden Bürgermeister und Kämmerin dem Rat als oberstem Entscheidungsorgan der Stadt konkrete Vorschläge unterbreiten. Unabhängig davon geht die Arbeit am Jahreshaushalt weiter. Bever: „Wir als Stadt müssen weiter alles, was wir selbst finanziell steuern können, ernsthaft betrachten und bewerten.“

Neue Möglichkeiten dazu hat ausgerechnet die Pandemie eröffnet: Homeoffice ist auch verwaltungsintern zum Thema mit Potenzial geworden. „Wir haben es innerhalb von Tagen geschafft, die Mitarbeiter zu Hause arbeitsfähig zu machen. Das läuft sehr gut.“ Darüber, wie das über die Pandemie hinaus optimal fortgeführt werden kann, werde im Rathaus intensiv nachgedacht. Denn auch dabei geht es um viel Geld. Bever: „Räume, die für die Verwaltung vorgehalten werden, sind ein großer Kostenfaktor. Da können und werden wir dran schrauben.“

Voreiligen und von wenig Sachkenntnis getrübten Aussagen im Wahlkampf setzt die Kämmerin eine klare Ansage entgegen: „Der Haushaltsausgleich in 2024 ist natürlich nicht vom Tisch!“ Voraussetzung, ihn zu erreichen, sei, dass die angekündigten bilanziellen und finanziellen Hilfen von Bund und Land kommen. „Und dass man vielleicht die Chance nutzt, die systembedingte Unterfinanzierung sowie die Altschulden mutig anzupacken! Und natürlich auch, dass der bisher vom Stadtrat stringent verfolgte Kurs der Konsolidierung weitergeht.“

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