Selbsthilfegruppe in Hückeswagen Zehn Jahre Hilfe für Suchtgefährdete

Hückeswagen · Ende Oktober feiert die Ortsgruppe des Blauen Kreuzes Geburtstag. Die Selbsthilfegruppe bietet seit zehn Jahren Menschen mit Suchtproblemen oder deren Angehörigen überkonfessionelle Hilfe und Unterstützung an.

 Siegfried Heinrich ist der Gruppenleiter der Ortsgruppe Hückeswagen des Blauen Kreuzes.

Siegfried Heinrich ist der Gruppenleiter der Ortsgruppe Hückeswagen des Blauen Kreuzes.

Foto: Karsten/Heike Karsten

Etwa zwei Millionen Alkoholabhängige gibt es in Deutschland. Nach dieser Statistik müssten umgerechnet etwa 200 Betroffene in Hückeswagen leben. Zu den wöchentlichen Treffen der Begegnungsgruppe des Blauen Kreuzes kommen aber viel weniger Menschen. „Die Schwellenangst ist das größte Hindernis“, sagt Leiter Siegfried Heinrich. Vor zehn Jahren, am 3. November 2008, gründete er mit seiner damaligen Ehefrau Gisela die Ortsgruppe. Dieser Geburtstag soll am 28. Oktober mit einem Gottesdienst in der Kreuzkirche gefeiert werden.

Siegfried Heinrich hat in den vergangenen zehn Jahren schon viele Menschen kommen und gehen sehen. Betroffene, aber auch Angehörige haben Hilfe und Halt in der Selbsthilfegruppe gesucht und erhalten. Die größte Gefahr ist der Rückfall in alte Verhaltensmuster. „Es gibt viele Suchtkranke, die wollen auf der Überholspur trocken werden. Das geht aber nicht. Alkoholkrank ist man bis zum Lebensende“, betont Heinrich. Der 66-Jährige spricht aus Erfahrung. Er ist nicht nur ausgebildeter Suchtkrankenhelfer, sondern bereits seit 20 Jahren in der Selbstgruppenarbeit aktiv. Und das nicht ohne Grund: Der Hückeswagener zählte selbst zu den Betroffenen und hat die Sucht mit allen Auswirkungen für sich, die Familie und das Umfeld am eigenen Leib erfahren. „Mit Flasche war ich ein glücklicher Mensch, aber ohne konnte ich zum Ekel werden“, erinnert er sich an die schlimmste Phase seines Lebens. Seine Ehefrau war es dann auch, die ihn zu einer Selbsthilfegruppe mitgeschleift hatte. „Vorher musste ich mir aber fünf Schnäpse als Mut antrinken“, gibt Heinrich offen zu. Diese Zeiten sind lange vorbei. Seit 21 Jahren ist der pensionierte Werkzeugkaufmann vom Alkohol weg und hat ihn nie wieder angerührt.

Wer den Weg zur Ortsgruppe des Blauen Kreuzes findet, erhält wertvolle Unterstützung durch die Gruppe und findet dazu Gleichgesinnte und Freunde. „Wir bezeichnen uns als eine große Familie“, sagt Heinrich. Es bestehen private Kontakte, und es gibt Themenabende, Ausflüge oder der gemeinsame Besuch kultureller Veranstaltungen. Vor einem Jahr haben die Gruppenmitglieder das Bogenschießen für sich entdeckt. Das Curt-von-Knobelsdorff-Haus in Radevormwald, eine Fachklinik des Blauen Kreuzes, hat bereits gute Erfahrungen damit gemacht. „Beim Bogenschießen geht es vor allem um Körperwahrnehmung“, sagt Siegfried Heinrich.

Der Gruppenleiter hofft, dass noch mehr Menschen den Weg in die Begegnungsgruppe finden (Kontaktdaten im Infokasten). Die Gruppenmitglieder haben Schweigepflicht vereinbart, nichts von den persönlichen Gesprächen dringt nach außen. Jeder Alkoholkranke hat seine ganz eigene, individuelle Geschichte, die er mitbringt. „Sucht kommt von Suchen und ist oftmals die Bewältigung eines Defizits, das uns anhaftet“, sagt Heinrich. Das kann zu wenig Liebe und Beachtung in der Kindheit oder auch Schüchternheit sein. Der klassische Weg aus der Sucht führt über den Hausarzt, einer stationären Entgiftung und einer Reha. Eine erste Anlaufstelle ist auch die Suchtberatung der Diakonie auf der Marktstraße. „Wir haben ein gutes Netzwerk und ziehen alle an einem Strang“, versichert Heinrich. Danach folgt der schwierigste Teil. „Die körperliche Abhängigkeit ist nach einer Woche weg, die psychische begleitet uns ein Leben lang“, fügt er hinzu. Betroffenen und Angehörigen macht er Mut, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen: „Unsere Gruppe ist nicht das Nonplusultra. Jeder muss sich seine Gruppe suchen, die zu ihm passt.“

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