Politischer Streit im Karneval Hückeswagen, wie es singt und lacht

Hückeswagen · Weil Bürgermeisterkandidat Dietmar Persian auf der Prunksitzung der Narrenzunft Neye am Samstag mit Wipperfürths Bürgermeister Michael von Rekowski ein Liedchen trällerte, zogen CDU-Mitglieder unter Protest aus dem Saal. Dabei stand Persian als Leiter des regionalen Gebäudemanagements auf der Bühne. Eine (ironische) Analyse des "Eklats".

Unwahrscheinlich, dass es ausschlaggebend für den Ausgang der Bürgermeister-Wahl ist, doch stellt sich aus aktuellem Anlass die bewegende Frage: Wie innig sind die Bürgermeister-Kandidaten dem Karneval verbunden? Ergebnis investigativer Recherche in gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen: Weder Dietmar Persian noch Ulrich Kowalewski sollen sich bislang in fulminanter Weise als Narren hervorgetan haben.

Nicht, dass sie zum Lachen in den Keller gingen. Doch fielen sie zumindest bei ihren öffentlichen Rededuellen auch nicht angenehm oder unangenehm durch ausufernden Humor auf. Und so sei die Mutmaßung erlaubt, dass die Anwesenheit beider Kandidaten bei der großen Sitzung am Samstag im Brunsbachtal vor allem dem Wahlkampf geschuldet war. Sehen und gesehen werden eben. Hätte sich auch kein Mensch weiter was dabei gedacht, wäre dann nicht Ungeheuerliches geschehen: Persian saß nicht nur da — er sang auch noch.

Wo man singt, da lass dich fröhlich nieder. . . Von wegen! Dass böse Menschen nämlich keine Lieder haben, wie's im Text weiter heißt, bezweifelt die CDU aufs Schärfste. Persians Gesangseinlage bewog selbst den Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Flosbach, mitsamt einigen Parteifreunden demonstrativ den Saal zu verlassen. Immerhin taten die aufrecht Empörten dies mitnichten unter Absingen schmutziger Lieder. Das versichern Augenzeugen dieses Auszugs der Wahlkampf-Gladiatoren.

So richtig schmutzig war, selbst nach Kleinstadt-Maßstäben, freilich auch das Duett von Dietmar Persian und Michael von Rekowski nicht. "Aus Hückeswagen komme ich, da lebe ich auch heut'": Gibt Persian sich mit diesem Outing als wüster Whistleblower zu erkennen? Dass er's im Übrigen nie bereut hat, in Hückeswagen zu leben, ehrt ihn, ist aber ansonsten politisch auch kaum brisant.

Dann muss es wohl die von ihm melodisch gestellte Frage, wer denn schon sonst ein Schloss habe, gewesen sein, die als zutiefst provokant empfunden wurde. Die Oberverdachtschöpfer wissen es eben: Die Übeltäter dieser Welt kommen anfangs meistens irgendwie harmlos daher. Man kennt das übrigens aus dem Lied vom Gärtner, der ja auch immer der Mörder ist.

Und so wäre es fast geschehen, dass die Hückeswagener kollektiv Opfer vorgetäuschter baritonaler Harmlosigkeit geworden wären (oder ist Persian eher Tenor?). Wenn nämlich die CDU dazu geschwiegen hätte, anstatt sich öffentlich zu entrüsten. Von über 12 000 Wahlberechtigten am 23. März wären dann nur einige wenige Hundert im Saal — die anderen hätten's ja gar nicht erfahren — vom Charme des Sängers und Kandidaten geblendet worden. Die hätten selbstredend Persian gewählt, weil der Duette singen kann und diese Fähigkeit von Kowalewski nicht bekannt ist. Weiß ja jedes Kind: In Wahlkämpfen kommt's immer auf die Stimme(n) an.

Gut, dass die Christdemokraten den Skandal noch in der Nacht via soziale Netzwerke publik machten. Denn so wird nicht nur einem fatalen Wahlbetrug vorgebeugt. Es wird auch wenigstens einmal in der Nachkriegsgeschichte das aus Funk und Fernsehen bekannte große Spektakel des bundesdeutschen Karnevals auf der Bühne der Schloss-Stadt aufgeführt: Hückeswagen, wie es singt und lacht. . .

(bn)
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