Hückeswagen und die Landtagswahl Wahlkampf nimmt mühsam Fahrt auf

Hückeswagen · Sechs Direktkandidaten präsentierten sich und ihre Parteien bei der Podiumsdiskussion der Kolpingsfamilie zur Landtagswahl. Der Erkenntnisgewinn beim Publikum im gut besetzten Kolping-Saal hielt sich am Ende in Grenzen.

 Sechs Direktkandidaten des Wahlbezirks Oberberg-Nord zur Landtagswahl stellten sich bei der Kolping-Podiumsdiskussion den Fragen von Moderatorin Corinna Schlechtriem (hinten, M.).

Sechs Direktkandidaten des Wahlbezirks Oberberg-Nord zur Landtagswahl stellten sich bei der Kolping-Podiumsdiskussion den Fragen von Moderatorin Corinna Schlechtriem (hinten, M.).

Foto: Heike Karsten

Sechs Kandidaten stehen für sechs politische Richtungen im Land – sollte man meinen. Tatsächlich war es am Mittwochabend bei der Podiumsdiskussion der Kolpingsfamilie schwierig für die Zuhörer, klare Richtungen und vor allem die Unterschiede darin zu erkennen. Die heißen Streitthemen fehlten, so blieb die Diskussion eher lauwarm und leidenschaftslos. Auf dem Podium: Christian Berger (CDU) und Thorben Peping (SPD), die beiden landespolitischen Newcomer, die tatsächlich eine Chance haben, als Direktkandidaten aus dem Wahlkreis 23 in den Landtag zu kommen; außerdem als real chancenlose Außenseiter im Rennen ums Mandat: Annette Pizzato (FDP), Uwe Söhnchen (Grüne), Bernd Rummler (AfD) und Marko Wegner (Linke).

Dass das Kandidaten-Rennen im Laufe des Abends kaum an Fahrt aufnahm, lag nicht nur am eher zurückhaltenden Auftritt der Kandidaten, sondern auch daran, dass Landespolitik aktuell für die Menschen einfach nicht besonders aufregend zu sein scheint. Immer noch in der Pandemie, inmitten der Bedrohung durch den Krieg in Europa und angesichts realer Existenzängste vieler Menschen wegen inflationär steigender Preise relativiert sich das ohnehin überschaubare Interesse an landespolitischen Themen doch sehr. Wer regt sich schon über den langfristig angelegten Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen und die Wege dahin auf, wenn er fürchtet, kurzfristig seine Wohnnebenkosten und seinen Lebensunterhalt nicht mehr bezahlen zu können? Diese existenziellen Ängste kamen nicht zur Sprache, und die real angesprochenen Themen trafen keinen Nerv beim Publikum. Direkte Fragen an die Kandidaten gab es so gut wie gar nicht. Keiner hat gefragt – Politiker antworten: Das war das für alle Beteiligten frustrierende Fazit.

Ganz so war‘s dann aber doch nicht, denn die Journalistin Corinna Schlechtriem war als Moderatorin gut vorbereitet und mit gezielten Fragen zur Landespolitik in die Veranstaltung gekommen. Es ging um den Mangel an preisgünstigen Wohnungen, um den großen Bereich Schule und Bildung und um das Thema Mobilität vor allem im ländlichen Raum mit seiner unzulänglichen Infrastruktur im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Und es ging darum, wie die von allen Seiten geäußerte große Wunschpalette nach mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, personell und digital deutlich besser ausgestatteten Schulen und mehr Angeboten im ÖPNV angesichts der enormen finanziellen Belastungen durch Pandemie und Krieg überhaupt noch finanziert werden kann.

Eine simple Antwort präsentierte Bernd Rummler für die AfD: „Wir müssen alle Kosten mal auf den Prüfstand stellen und fragen, was an Ausgaben wirklich nötig ist. Vor allem der soziale Bereich ist doch völlig aufgebläht.“ Das sieht der Rechtspopulist auch bei den Schulen so: „Wir brauchen mehr Lehrer aber nicht hunderttausend neue Sozialarbeiter an Schulen.“ Mit dieser Aussage stand Rummler allein auf weiter Flur. Mehr Lehrer fordern aber alle, weil Schule und Bildung ein zentrales Thema der Zukunft im Land seien. Diese Position vertraten vor allem Thorben Peping und Christian Berger. Pepings Replik zu Rummlers Vorschlag, alle Ausgaben strikt zu überprüfen: „Sie sind lange genug als Politiker dabei, da könnten Sie doch schon mal die Stellen gefunden haben, an denen vermeintlich Geld verschwendet wird.“

Das Thema Schulen sorgte kurzfristig auch für vereinzelte Stellungnahmen aus dem Publikum heraus. Harte Kritik wurde an Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) für ihr Agieren in der Pandemie geäußert. Die Verteidigungsversuche von Parteikollegin Annette Pizzato kamen da nicht gut an. Keine Resonanz gab‘s auf Forderungen aus dem Podium zu Reformen des Gemeindefinanzierungsgesetzes mit dem Ziel, die Kommunen finanziell besser auszustatten. Dieses Thema ist aktuell, wie andere an diesem Abend auch, zu abstrakt für viele und trifft gerade den Nerv der Menschen überhaupt nicht, obwohl es tatsächlich für die Handlungsfähigkeit von Städten und Gemeinden von hoher Bedeutung ist.

Bedeutsam sind auch die Themen „Generationen-Gerechtigkeit“ und Klimawandel, die Uwe Söhnchen für die Grünen teils sehr emotional ansprach: „Ein ,weiter so wie gehabt‘ geht nicht mehr, denn wir fahren die Welt gegen die Wand und haben keine Zeit, weiter tatenlos abzuwarten.“ Diskutiert wurde auch das nicht.

Nüchterne Erkenntnis am Ende: Mitten in Pandemie, Krieg und Inflation werden die Kandidaten aller Parteien es weiter, wie an diesem Abend bei der Kolpingsfamilie, schwer haben, mit landespolitischen Themen Gehör zu finden oder gar zu punkten. Die Leute haben gerade einfach andere Sorgen als die Landtagswahl in knapp zwei Wochen.

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