Ehrenamtler in Hückeswagen Ukrainerin engagiert sich in der Stadtbibliothek
Hückeswagen · Elina Sadovnyk (37) liebt Bücher und ist seit Mai als Ehrenamtlerin in der Stadtbibliothek tätig. Die Lehrerin aus der Ukraine nutzt die Arbeit, um noch besser Deutsch zu lernen und Kontakte zu knüpfen.
Wenn Elina Sadovnyk die Stadtbibliothek betritt, führt ihr erster Weg zum Wagen der zurückgegebenen Bücher der Ausleihe. Diese werden nach Genre und Buchstaben sortiert zurück in die Regale geräumt. Für die Ukrainerin kein großes Problem, denn sie beherrscht als Lehrerin für Ukrainisch und Englisch sowohl das kyrillische als auch das lateinische Alphabet. Seit Mai arbeitet die 37-Jährige in der Stadtbibliothek mit. „Sie stand einfach mal hier und wollte als Ehrenamtlerin anfangen“, erinnert sich Bibliotheksleiterin Michaela Schmitz. Von der Möglichkeit der Mitarbeit hatte die Ukrainerin, die mit ihren beiden zwölf und 18 Jahre alten Söhnen seit einem Jahr in der Schloss-Stadt Zuflucht vor dem Krieg in ihrer Heimat gefunden hat, im Deutschkursus erfahren.
Ihre Motivation kann Elina Sadovnyk schnell erklären: „Ich interessiere mich für Bücher, und es ist eine gute Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern und andere Leute kennenzulernen.“ Dafür lernt sie jeden Tag und besucht auch mehrmals wöchentlich Sprachkurse, unter anderem im Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) Lindenbergstraße.
Michaela Schmitz war zunächst zwiegespalten, hatte sie doch Sorge, nicht ausreichend Zeit zu haben, die neue Mitarbeiterin trotz Sprachbarriere begleiten und einarbeiten zu können. Diese Angst bestätigte sich jedoch nicht. „Elina hat sehr schnell gelernt und ist eine tolle Hilfe für uns“, versichert die Leiterin der Bibliothek. Von Elina Sadovnyk war auch die Anregung gekommen, Lesestoff für ukrainische Kinder und Erwachsene anzuschaffen. Und da der Freundeskreis der Stadtbibliothek umgehend die finanziellen Mittel dafür zugesagt hatte, gibt es nun entsprechende Kinderbücher, Romane und auch deutsch-ukrainische Sprachlernbücher (unsere Redaktion berichtete).
Die Bücher von Dan Brown und Joanne R. Rowling („Harry Potter“) hat Elina Sadovnyk bereits verschlungen. Derzeit liest sie Bücher auf Deutsch, wie von Krimiautor Sebastian Fitzek und die Geschichte des Schiffbrüchigen „Robinson Crusoe“, die zusätzlich zum Original „in einfacher Sprache“ herausgegeben wurden. Es ist eine weitere Möglichkeit, sich mit der neuen Sprache zu befassen.
Dass Elina Sadovnyk sich dermaßen ins Zeug legt, hat einen Grund. „Wir würden gerne in Deutschland bleiben“, sagt die Lehrerin. Vor allem der Kinder wegen, die hier wesentlich bessere Zukunftsperspektiven hätten als in ihrer ukrainischen Heimat. Dafür nimmt die 37-Jährige auch Herausforderungen in Kauf. So musste ihr Sohn Vlas vor kurzem eine Prüfung für das ukrainische Abitur in Berlin ablegen. Mit dem Zug war die Familie in die Bundeshauptstadt gefahren und musste sieben Mal umsteigen. „Zehn Stunden hat eine Fahrt gedauert, es war kompliziert“, berichtet die 37-Jährige. Sich dabei zurechtzufinden, ist selbst für Einheimische nicht immer leicht.
Derzeit wohnt die Mutter mit ihren beiden Söhnen in einer Sammelunterkunft für ukrainische Flüchtlinge an der Peterstraße. Sobald ihre Deutschkenntnisse ausreichen, möchte sie sich einen Job und dann auch ein Auto und eine eigene Wohnung suchen – möglichst in Hückeswagen.
Sehr gut integriert hat sich auch ihr 18-jähriger Sohn Vlas, der als Praktikant bei der Firma Gummi-Berger tätig ist. Sein Engagement hat die Werkstatt-Kollegen dermaßen beeindruckt, dass sie Geld zusammengeschmissen habe, um dem jungen Ukrainer den Führerschein zu finanzieren (unsere Redaktion berichtete). Damit ging’s jetzt los: „Am 4. August hatte Vlas seinen ersten Fahrschulunterricht“, berichtet seine Mutter.
Mit ihrem Ehemann, der wie ihre Eltern in der Ukraine lebt, hat sie täglich Kontakt. Über die Zustände in ihrer Heimat redet sie jedoch nicht gerne. „Es geht ihnen gut, aber es ist immer noch Krieg“, sagt sie traurig.
In das soziale Umfeld und das Team der Stadtbibliothek hat sich die Ukrainerin sehr gut eingefunden, wie auch Michaela Schmitz betont. „Alle finden sie sehr nett, und wir waren auch schon zusammen Eisessen“, fügt sie hinzu.
Für das Interview über ihr ehrenamtliches Engagement kam Elina Sadovnyk trotz strömenden Regens in die Bibliothek. „In Deutschland gibt es kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“, zitiert sie lachend eine bergische Lebensweisheit. Zwischen Interview und Fototermin sortiert sie schnell noch ein paar Bücher in die Regale ein, obwohl die 37-Jährige an diesem Tag gar nicht im Dienst ist. „Es macht mir halt Spaß“, versichert sie lachend.