20 Jahre Hospizgruppe Tod und Trauer nicht als Tabu sehen

Hückeswagen · Die Hückeswagener Hospizgruppe „Die Weggefährten“ feiert 2019 ihr 20-jähriges Bestehen – mit Comedy, Ausstellung, Lesung, Waffelessen, Clownerie und Festakt. Es soll deutlich werden: Der Tod ist nicht nur dunkel und traurig.

 Schriftführerin Judith Hanke und der zweite Vorsitzende Gerd Prinz freuen sich auf ein abwechslungsreiches Veranstaltungsjahr zum 20-jährigen Bestehen der Hospizgruppe.

Schriftführerin Judith Hanke und der zweite Vorsitzende Gerd Prinz freuen sich auf ein abwechslungsreiches Veranstaltungsjahr zum 20-jährigen Bestehen der Hospizgruppe.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Tod und Trauer, Leiden und Sterben – das sind noch immer Tabuthemen. Auch in Hückeswagen. Die Hospizgruppe „Die Weggefährten“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. 2019 feiern die Mitarbeiter ihr 20-jähriges Bestehen. Ganz bewusst nicht im stillen Kämmerlein, sondern ganz oft in aller Öffentlichkeit mit vielen Veranstaltungen.

Seit drei Jahren hat die Gruppe ihren Sitz an der Goethestraße 8, in einem Büro in der ersten Etage, fast ein bisschen unscheinbar, gegenüber der Arztpraxis ihres Vorsitzenden Werner Fabig. Zuvor saß die Gruppe in einem kleinen Raum im Johannesstift. Dann ergab sich die Chance zum Umzug in die Innenstadt, der sich gelohnt hat, denn an der Goethestraße ist die Hospizgruppe viel näher an den Menschen dran und mehr mitten im Leben der Stadt. „Für die Bürger sind wir hier leichter ansprechbar, weil auch die Wege wesentlich kürzer sind“, sagt der zweite Vorsitzende Gerd Prinz, der genauso wie Schriftführerin Judith Hanke erst vor drei Jahren zu der Gruppe stieß und seitdem aktiver Mitarbeiter ist.

Gegründet wurde der Verein vor 20 Jahren aus ehrenamtlichem Engagement zuhause. „Dann wurde alles professioneller, auch durch gesetzliche Veränderungen“; erinnert sich Judith Hanke. Mittlerweile zählt der Verein 80 Mitglieder und die Gruppe 20 aktive Sterbe- und Trauerbegleiter. 2018 war für die Weggefährten ein richtig gutes Jahr, denn nach dem Umzug und Umstrukturierungen organisierte die Gruppe einen eigenen Qualifizierungskursus mit neun Teilnehmern, von denen sieben geblieben sind. „Wahnsinnig viele“, findet Judith Hanke.

Sie freut sich über das enorme Interesse. Es sorgt dafür, dass die Belastung jedes Einzelnen gemindert werde. Im Schnitt übernehmen die ehrenamtlichen Sterbegleiter pro Jahr 40 Begleitungen. Die Dauer reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren – je nach Wunsch der Betroffenen und der Angehörigen. Leider stellen auch die Weggefährten fest, dass viele Angehörige zu spät den Kontakt zur Hospizgruppe knüpfen, „wohl, weil sie es nicht wahrhaben wollen, dass ein Leben zu Ende geht“, meint Judith Hanke. Durch eine gute Kooperation mit den stationären Einrichtungen in Hückeswagen kämen mittlerweile aber auch Menschen früher, im häuslichen Umfeld würden die Begleiter aber oft zu spät gerufen. „Erst wenn die Belastung für die Angehörigen zu groß ist, werden wir gerufen“, weiß Prinz aus eigener Erfahrung. Dabei empfiehlt Judith Hanke, sich frühzeitig zu melden, sobald klar ist, dass der Weg zum Tod führen wird. „Da reicht es ja zunächst auch mal, sich kennenzulernen, dann ist aber der erste Schritt getan, der erste Kontakt geknüpft und die Hemmschwelle überwunden“, sagt sie. Die erste Kontaktaufnahme sei oft die schwierigste. Hospiz werde immer noch mit dem Tod gleichgestellt. „Das ist dann endgültig, danach kommt nur noch der Bestatter“, sagt Hanke.

Dabei sei es Aufgabe der Hospizgruppe, Leben, das zu Ende geht, noch lebenswert zu gestalten. „Wir lachen viel, wir erzählen viel, wir singen auch Karnevalslieder“; sagt sie und schmunzelt. Gerd Prinz ist es wichtig, Angst und Verzweiflung der Betroffenen und Angehörigen auszuhalten, das sei Kern seiner Aufgabe. Oft benötigen die Angehörigen auch mehr Hilfe und Begleitung als die Sterbenden selber. Und oft bleibt auch der Kontakt zu den Angehörigen über den Tod erhalten. „Man wird da fast ein bisschen adoptiert“, findet Judith Hanke. Sie sei aber auch immer wider erstaunt, wie viele Menschen völlig alleine seien und niemanden mehr hätten. Das sei dann schon auch mal sehr deprimierend, obwohl sie dann auch wisse, warum sie sich einsetze. „Man kriegt so viel Dankbarkeit zurück, da verliert man selbst die Angst vor dem Sterben“, sagt Prinz.

Obwohl Tod und Trauer für viele noch tabu seien, stellen die Weggefährten fest, dass Menschen zwischen 40 und 50 anders mit dem Thema umgehen. Viele seien sich darüber im Klaren, wie sie sterben wollen. „Geholfen hat da sicher die Patientenverfügung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, obwohl sie noch zu oft einfach rumliegt“, meint Judith Hanke. Dabei biete dieses Dokument die Möglichkeit, seine letzte Entscheidung zu beeinflussen. „Vielleicht ist aber auch nicht jedem klar, dass er mit einer solchen Verfügung den Angehörigen eine enorme Last abnimmt“, glaubt Prinz. Die Hospizgruppe habe speziell geschulte Mitarbeiter, die sich explizit mit Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht beschäftigen und fachlichen Rat geben. Judith Hanke will im Jahr des 20-jährigen Bestehens immer wieder deutlich machen, dass Tod nicht nur traurig und dunkel ist. „Wir wollen verschiedene Sinne ansprechen, dabei schmecken, hören, sehen und nachdenken“, sagt sie. Prinz ist „Leben bis zur letzten Minute“ wichtig, wobei die Lebensqualität entscheidender sei als die Quantität.

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