Kirchenserie Ein Mahnmal für den Frieden

Hückeswagen · Neben dem russischen Ehrenfriedhof in Voßhagen wurde im Jahre 1985 die Friedenskapelle gebaut und ein Jahr später eingeweiht. Seitdem finden viele Menschen hier innere Ruhe und Frieden in der Kapelle.

 Der Blick in die Friedenskapelle Voßhagen, die Ruhe und Frieden ausstrahlt. Am 19. Oktober 1986 wurde die Kapelle eingeweiht. Reise- und Pilgergruppen suchen diesen heimeligen Ort oft auf.

Der Blick in die Friedenskapelle Voßhagen, die Ruhe und Frieden ausstrahlt. Am 19. Oktober 1986 wurde die Kapelle eingeweiht. Reise- und Pilgergruppen suchen diesen heimeligen Ort oft auf.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Es ist still. Es ist so kalt, dass der eigene Atem wie Rauch aus dem Mund in die Luft steigt. Es riecht nach flüssigem Wachs. Der Blick schweift durch die großen Fenster über die weiten Felder. Eine innere Ruhe macht sich breit und macht gleichzeitig Platz für die eigenen Gedanken. Geborgenheit ist wohl das Wort, was am ehesten das Gefühl beschreibt, was ein Besucher der Friedenskapelle in Voßhagen empfindet. Die Kälte ist irgendwann ganz egal, denn die Welt der Gedanken kennt keine Temperaturen.

Als Bernhard Guski vor vielen Jahren in die Hofschaft Voßhagen zog, hatte er plötzlich einen Friedhof direkt vor der Tür. Auf dem russischen Ehrenfriedhof sind 44 kriegsgefangene Zwangsarbeiter und Sklavenarbeiter begraben. Diese waren in einem Lager an der Stadtgrenze zwischen Hückeswagen und Remscheid-Lennep bei Hammerstein untergebracht. Der Ehrenfriedhof war der Grund, warum 1985 mit dem Bau der Friedenskapelle begonnen wurde. „Der Friedhof hat uns jeden Tag die schlimmen Kriege vor Augen geführt und die Opfer dieser Zeit“, sagt Guski. Ein Mahnmal für Frieden sollte entstehen. Guski erzählte Freunden von seiner Idee, die dann einstimmig beschlossen: „Das müssen wir machen.“

   Der Mühlstein in der Kapelle dient der Erinnerung an die kleine Kirche Maria zu Mühlen, die dem Bau der Wupper-Talsperre zum Opfer fiel.

Der Mühlstein in der Kapelle dient der Erinnerung an die kleine Kirche Maria zu Mühlen, die dem Bau der Wupper-Talsperre zum Opfer fiel.

Foto: Julia Schüßler

Ein Kreuz auf dem Dach der Kapelle, dessen Enden wie Trompeten geformt sind, ist ein Sinnbild für die Verbreitung des Friedens in alle Himmelsrichtungen. Um 12 und um 18 Uhr läutet heute die Glocke in dem eisernen Turm vor der Kapelle – das sogenannte Angelusgeläut. Es ruft zum Gebet „Der Engel des Herrn“, ein Dankgebet an Gott. Zehn Jahre lang hat Guski selbst die Glocke geläutet, heute erfolgt das elektrisch. „Wenn wir einmal nicht geläutet haben, hat die Nachbarschaft sofort gefragt, wo wir waren“, sagt Guski und lacht. Zu Beginn war die Glocke auch noch von Holzbalken umgeben, die durch die Witterung mit der Zeit baufällig wurden.

 Bernhard Guski hat einen Friedhof direkt vor der Tür.

Bernhard Guski hat einen Friedhof direkt vor der Tür.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Mehr als 23 Jahre ist es jetzt her, dass Bäume gefällt wurden, um die Friedenskapelle zu bauen. Der Gedenkort ist in einer kompletten Eigenleistung des Freundeskreises Friedenskapelle Voßhagen entstanden, damals zählte der Verein 45 Mitglieder. Unterstützt wurde der Bau von ortsansässigen Firmen. Guski war auch am Entwurf der Kapelle beteiligt, das große hölzerne Kreuz über dem Altar stammt von dem Bildhauer und Maler. Am 19. Oktober 1986 wurde die Kapelle schließlich eingeweiht – um 14 Uhr. „Das weiß ich noch so genau, weil ich vorher an der Friedenskirche in Baumberg ein großes Kreuz in 27 Meter Höhe am Kirchturm angebracht habe“, sagt Guski. Er habe gar nicht mehr viel Zeit gehabt und sich nur noch ein weißes Hemd übergeworfen.

Heute finden viele Menschen Ruhe und Frieden in der Kapelle auf Voßhagen, ganze Reise-und Pilgergruppen suchen den Ort auf. Manche Besucher seien 15 oder 20 Minuten in der Kapelle, andere sieht Guski vormittags, und am Nachmittag sitzen sie immer noch auf der Bank vor dem kleinen Häuschen und lesen ein Buch. In einem anderen Buch, einem Gedankenbuch, können die Besucher festhalten, was ihnen durch den Kopf geht. Etwa zehn Bücher wurden bisher in 22 Jahren mit zahlreichen Wörtern gefüllt. „Menschen finden dort zu sich selber. Sie nehmen die besondere Atmosphäre auf“, sagt Guski. Und das ist auch in dem Exemplar zu lesen, das gerade in der Kapelle auf einem steinernen Altar ausliegt. Die Zeilen zeigen auch viel Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass ein solcher Ort existiert.

Dankbarkeit empfand auch eine Russin, als sie nach langer Recherche das Grab ihres Großvaters in Voßhagen fand. Mit einer Grabplatte im Handgepäck reiste sie aus Moskau an. Immer wenn es ihre finanziellen Mittel zulassen und sie ein Visum bekommt, kommt sie zurück an den Ort der Ruhe in Voßhagen. Bisher war sie dreimal dort. „Das war in den ganzen Jahren wohl die eindrucksvollste Begegnung, die wir hier hatten“, sagt Guski.

Die Friedenskapelle bietet die Möglichkeit für Begegnungen aller Art: Gottesdienste, Silber- und Goldhochzeiten werden dort gefeiert, standesamtliche Trauungen abgehalten. Alle zwei Jahre findet ein Benefizkonzert dort statt, zugunsten des Friedensdorfs Oberhausen. 100 bis 200 Gäste finden sich da in Voßhagen ein. „Egal wie kalt es ist, da wird es dann ganz schnell warm in der Kapelle“, sagt Guski und lacht.

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