Amtsgericht in Wipperfürth Richter muss über Beleidigung entscheiden

Hückeswagen · Der Hückeswagener AfD-Vorsitzende Markus Lietza war 2021 von der BGV-Vorsitzenden Iris Kausemann als „bildungsfern“ bezeichnet worden. Am Donnerstag landete die Zivilklage vor dem Amtsgericht in Wipperfürth.

 Die FDP empfindet den Namen Henry Ford für eine Straße im Gewerbegebiet West 2 als keinen würdigen Namensgeber und schlägt als Alternative den Hückeswagener Unternehmer, Konstrukteur und GBS-Mitgründer Hans Bêché vor.

Die FDP empfindet den Namen Henry Ford für eine Straße im Gewerbegebiet West 2 als keinen würdigen Namensgeber und schlägt als Alternative den Hückeswagener Unternehmer, Konstrukteur und GBS-Mitgründer Hans Bêché vor.

Foto: NN/n.n.

Der Vorfall liegt bereits mehr als ein Jahr zurück – und hatte seinen Ursprung in einem Antrag der FDP-Fraktion im Bauausschuss. Die Henry-Ford-Straße im Gewerbegebiet West 2 sei nach einem „bekennenden Antisemiten“ benannt, das sei „kein würdiger Namensgeber für eine Straße in Hückeswagen“, hieß es in diesem Antrag. Als Alternative hatten die Liberalen den Hückeswagener Unternehmer, Konstrukteur und GBS-Mitgründer Hans Bêché vorgeschlagen.

Das gefiel den Rechtspopulisten von der AfD gar nicht – in einer Reaktion verkündete man „absolute Fassungslosigkeit“ über den Vorschlag, schließlich habe Bêché ein Kriegsgefangenenlager betrieben „und sich in mehrfacher Weise auch noch nach Kriegsende schuldig gemacht, indem eine Täter-Opfer-Umkehr gegen polnische Zwangsarbeiter betrieben wurde“. Dies wiederum sorgte für Entsetzen bei Rudolf Brunsbach, der als Zeitzeuge ab 1944 Lehrling in der Firma Bêché & Grohs war, und der Tochter Hans Bêchés, Hedy Bêché, die ihren Vater in Band 49 von Leiw Heuckeshoven als „absoluten Antifaschisten“ bezeichnet hatte.

Und auch Iris Kausemann, Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) und Stadtarchivarin in Radevormwald, konnte es kaum glauben. In einer Reaktion in unserer Zeitung am 4. Mai 2021 war es dann zu der, wie sich zeigen sollte, folgenschweren Äußerung Kausemanns gekommen. „Ich bin entsetzt und sprachlos darüber, dass solch eine bildungsferne Person die Geschicke unseres Hückeswagens mitbestimmen kann. Mit historischem Fachwissen weiß jeder, dass Fremd- und Zwangsarbeit in der NS-Zeit an der Tagesordnung war, und die reinen Zahlen nichts – aber auch gar nichts – über die Gesinnung des Unternehmers aussagen“, hatte Kausemann gesagt. Das Wort, das dabei zum Zankapfel mit Gerichtsbeteiligung wurde, hieß „bildungsfern“. Davon hatte der Hückeswagener AfD-Vorsitzende Markus Lietza sich nämlich so beleidigt gefühlt, dass er Anzeige wegen Beleidigung gestellt hatte. Eine vorherige und außergerichtliche Einigung war gescheitert, nun fand der Güte- und Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht Wipperfürth statt. Und die Verhandlung war gut besucht – mit Unterstützern sowohl für Kausemann als auch für Lietza.

Eine Einigung oder eine Entscheidung gab es nicht, der Termin war nach etwa einer Viertelstunde schon wieder vorbei. Wobei sofort deutlich war, dass mit einer Einigung im Sinne einer Güteverhandlung nicht zu rechnen war. „Nein“, sagte Iris Kausemann nachdrücklich, auf die Frage, ob sie sich dem Einigungsvorschlag der Klägerseite anschließen wolle. Hier hatte der Rechtsanwalt vorgeschlagen, dass zum einen die Äußerung „bildungsfern“ künftig nicht mehr getätigt werden dürfe und zum zweiten „ein Betrag X“ an eine Bildungseinrichtung gezahlt werden müsse. „Und wir sprechen hier nicht von 1000 Euro“, sagte der Anwalt aus Köln. Der Richter sagte nach Iris Kausemanns Ablehnung: „Ich weiß nicht, ob das so klug ist. Denn unabhängig von meiner Entscheidung, gehört es sich nicht, jemanden als ‚bildungsfern‘ zu bezeichnen.“

Als deutlich wurde, dass hier keine Einigung in Sicht war, ging es noch ein wenig hin und her, durchaus emotional und von beiden Seiten. „Zu klären ist für mich, ob hier eine Schmähkritik vorliegt, beziehungsweise muss ich abwägen, ob die Aussage durch die Meinungsfreiheit der Beklagten gedeckt ist oder ob dadurch das Persönlichkeitsrecht des Klagenden eingeschränkt wurde“, sagte der Richter.

Seine Entscheidung wolle er am Donnerstag, 23. Juni, 14 Uhr verkünden.

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