100 Jahre Firma Pflitsch Vom Dorf-Betrieb zum Global Player

Hückeswagen · Was 1919 als kleiner Drei-Mann-Betrieb begann, ist längst zu einem florierendem mittelständischen Unternehmen geworden: Die Firma Pflitsch feiert 2019 ihr100-jähriges Bestehen. Bis zum Jahresende beleuchtet die Redaktion in einer Serie verschiedene Aspekte des Unternehmens.

 Die Anfänge des Unternehmens als Drei-Mann-Betrieb lagen im Anbau der Gaststätte Schoppmann in Marienheide-Linge (l.). Längst hat sich Pflitsch auf dem Gelände (r.) zwischen Wupper-Vorsperre und Bergischem Kreise ausgebreitet.

Die Anfänge des Unternehmens als Drei-Mann-Betrieb lagen im Anbau der Gaststätte Schoppmann in Marienheide-Linge (l.). Längst hat sich Pflitsch auf dem Gelände (r.) zwischen Wupper-Vorsperre und Bergischem Kreise ausgebreitet.

Foto: Pflitsch/Collage: heka

Verschraubungen sind „ihr Ding“. Das war vor 100 Jahren so, als Ernst Pflitsch (1886 bis 1965) die „Elektrotechnische Fabrik Ernst Pflitsch & Co“ in Marienheide-Linge gründete. Und das ist auch heute noch so. So trägt das Unternehmen die Sechskantverschraubung in ihrem Firmenlogo, und die beiden Nullen in der Zahl 100 des Jubiläumslogos sind ebenfalls unschwer als solche zu erkennen.

Es waren schwere Zeiten, wenige Monate nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Aber es waren auch Zeiten des Aufbruchs, was vor allem die Elektrifizierung betraf. Überall, auch auf dem Land wie in Hückeswagen, entstanden Trafohäuschen, die den Strom bis in den hintersten Winkel und in jede Küche und jeden Kuhstall weiterleiteten. Daraus entwickelte sich eine Zulieferindustrie. Ernst Pflitsch bekam das hautnah mit. In der aufstrebenden elektrotechnischen Fabrik seines Onkels Carl Puhl, wo Stecker, Steckdosen und elektrotechnische Artikel aus Porzellan sowie Messing gefertigt wurden, hatte er eine Buchhalter-Lehre absolviert.

 Unternehmensgründer Ernst Pflitsch (1886 bis 1965)

Unternehmensgründer Ernst Pflitsch (1886 bis 1965)

Foto: Firma Pflitsch

Es herrschte Aufbruchstimmung. „Elektrotechnik damals war hip und so etwas wie New Economy“, sagt Pflitsch-Prokurist Carsten Wohlrath, seit 1995 im Unternehmen. Von diesem Pioniergeist angetrieben, vergrößerte Ernst Pflitsch sein Wissen über die Elektrotechnik immer mehr. Zudem verbreiteten sich elektrisches Licht und elektrische Geräte rasend schnell, so dass dem Wachstum der Elektroindustrie keine Grenzen gesetzt schienen. Beflügelt durch einen Schulfreund, der in Indien die Elektrifizierung vorantrieb, reifte in Pflitsch die Idee, eine eigene Firma zu gründen. Seine Schwiegereltern – ebenfalls begeistert von der neuen Technik – unterstützten ihn und stellten ihm in einem Nebengebäude ihrer großen Gastwirtschaft in Linge ausreichend Räumlichkeiten zur Verfügung.

„Es war die Zeit, als Strom nutzbar und vorstellbar wurde“, sagt Wohlrath. Klemmen und Halter aus Messing zur Strominstallation im Haushalt und Lüsterklemmen aus Porzellan waren begehrte Güter – Pflitsch sollte sie liefern.

 Eine Pflitsch Lüsterklemme aus Porzellan aus den 40er Jahren.

Eine Pflitsch Lüsterklemme aus Porzellan aus den 40er Jahren.

Foto: Firma Pflitsch

Nachdem seine Schwager Fritz Pattberg und Wilhelm Berges das notwendige Startkapital zur Verfügung gestellt hatten, gründete das Trio am 1. Juli 1919 die Elektrotechnische Fabrik. „Das junge Unternehmen fertigte elektrotechnische Bauteile zur Hausinstallation wie Leuchtenzubehör, Lüsterklemmen und Stecker, aber stellte auch Bauelemente für elektrische Geräte, Muttern, Stifte und Schrauben aus Messing her“, wie aus der Unternehmenschronik hervorgeht. Die Nachfrage, besonders aus Indien, war groß. Schnell fanden zwei Mitarbeiter Lohn und Brot im Unternehmen.

Nach der Leidenszeit während der Inflation erholte sich die kleine Firma, nachdem die Währungsreform von 1923 bei der deutschen Wirtschaft für einen Aufschwung gesorgt hatte. Neue Kunden in den Niederlanden und Dänemark waren die Folge. Die Weltwirtschaftskrise sechs Jahre später sorgte auch bei Pflitsch erneut für einen harten Einschnitt, doch der Unternehmensgründer bahnte über einen Vertreter in Wien neue Geschäftsfelder auf dem Balkan an. „Bald wurden zudem Schalttafelbolzen, Metallteile für Kontaktschrauben, Schalter und Fassungen bis nach Palästina geliefert“, heißt es in der Unternehmenschronik. Bis zu sechs Mitarbeiter beschäftigte Pflitsch zu dieser Zeit.

 Ein Pflitsch-Musterkoffer mit Elektro-Kleinmaterial um 1940.

Ein Pflitsch-Musterkoffer mit Elektro-Kleinmaterial um 1940.

Foto: Firma Pflitsch

1938 war das Jahr des Umbruchs bei Pflitsch – die Schwiegereltern kauften das Gelände in Marienheide-Linge, gleichzeitig stieg Fritz Pattberg aus der Firma aus. Überhaupt war es am angestammten Standort zu eng geworden, weswegen sich Ernst Pflitsch auf die Suche nach einer neuen Produktionshalle mit Expansionspotenzial umsah – und im 20 Kilometer entfernten Hückeswagen fündig wurde.

Auf dem Gelände einer ehemaligen Tuchfabrik an der Wupper und nahe der damals extrem wichtigen Eisenbahnlinie standen geeignete Gebäude. In einer Halle, in der auch heute noch die Dreherei als Schwerpunkt angesiedelt ist, begann Pflitsch auf einem Viertel der Fläche mit der Produktion. Um diese Kernfläche herum hat sich das Unternehmen seitdem ständig erweitert. Dazu wird in der zweiten Jahreshälfte 2019 die Produktion der Kabelkanäle in die ehemaligen Produktionshallen von Magna Powertrain im Gewerbegebiet Winterhagen-Scheideweg ausgelagert. Pioniergeist und Expansionswille haben noch längst nicht ausgedient.

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