Hückeswagen-Voßhagen Grabpflege ohne Grenzen

Hückeswagen · Alle zwei Jahre reist Svetlana Komissarova von Moskau nach Hückeswagen, um die Kriegsgräber in Voßhagen, wo auch ihr Großvater begraben liegt, zu pflegen. Noch bis Mittwoch verbringt die Russin jede freie Minute an diesem Ort.

 Svetlana Komissarova in Voßhagen am Grab ihres Großvaters, den sie nie kennengelernt hat.

Svetlana Komissarova in Voßhagen am Grab ihres Großvaters, den sie nie kennengelernt hat.

Foto: Heike Karsten

Bis zum Friedensgebet in der kleinen Kapelle in Voßhagen am Sonntag sollte alles perfekt sein. Dafür verbrachte Svetlana Komissarova jede freie Minute ihres zehntägigen Deutschlandaufenthalts auf dem benachbarten Ehrenfriedhof, jätete Unkraut, entfernte Laub und Äste, befreite die Grabumrandungen von Moos und brachte alle 44 Grabsteine samt Inschriften mit Reinigungsmittel und Bürste auf Hochglanz. Bereits zum vierten Mal war die Russin nach Hückeswagen gereist, um die Gräber der russischen Kriegsgefangenen in Voßhagen zu besuchen. Im Reisegepäck der zierlichen, blonden Frau befand sich nur wenig Kleidung, dafür aber viele Geschenke für Freunde sowie Kunstblumen für die Gräber.

Jeden Tag war Svetlana Komissarova in Voßhagen beschäftigt. „Der Ort ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Mein Herz hängt daran“, sagt die Russin. Besondere Beachtung schenkt sie dem Grab, in dem ihr Großvater Konstatin Samarin begraben wurde. 73 Jahre lang galt er als verschollen, doch durch Recherchen im Internet fand die Enkelin schließlich seine Grabstätte. Obwohl sie ihren Opa nie kennenlernen durfte – er starb 1941 in Kriegsgefangenschaft im Alter von 30 Jahren –, empfindet die Moskauerin dennoch große Liebe für den Verstorbenen. „Meine Großmutter hat mir viel von ihm erzählt“, berichtet sie.

Mit Irene Föll hat die Russin in der Schloss-Stadt eine Freundin gefunden, die sie in ihrem Tun unterstützt. Die Hückeswagenerin aus Kasachstan fühlt sich ebenso mit dem Ehrenfriedhof in Voßhagen verbunden. „Meine Mutter konnte stundenlang hier sitzen und mit meinem Papa sprechen, obwohl er nicht hier begraben ist“, sagt Irene Föll.

Seit ihrem ersten Besuch in Deutschland vor fünf Jahren hat es sich Svetlana Komissarova zur Aufgabe gemacht, weitere Angehörige der in Voßhagen begrabenen russischen Kriegsgefangenen ausfindig zu machen. So konnte sie unter anderem Kontakt zu den Angehörigen von Nikolly Urvarenko aufnehmen, der vor dem Krieg Fußballer des bekannten Vereins Dynamo Kiew gewesen sei.

Von den gelegentlichen Fußballspielen zwischen den Kriegsgefangenen und den Nationalsozialisten habe er sich allerdings ferngehalten, denn diese Spiele durften die Kriegsgefangenen nicht ohne Bestrafung gewinnen, weiß Irene Föll aus geschichtlichen Erzählungen wie dem „Match des Todes“ (siehe Info-Kasten). Für die Flugreisen nach Deutschland spart Svetlana Komissarova ihr Geld, was sie als Mitarbeiterin einer Universitäts-Bibliothek in Moskau verdient. „Es ist meine Lebensaufgabe, mich um die Gräber zu kümmern, sonst finde ich keine Ruhe. Das sagt mein Herz“, betont die 56-Jährige.

Nach der Einweihung der Friedenskapelle Voßhagen im Oktober 1986, mit ihrem Standort unmittelbar an den Gräbern, war das Hintergrundwissen um die Schicksale der dort Beigesetzten in den Vordergrund gerückt worden. Letztlich war es der Verein Bergische Zeitgeschichte (BZG), der Licht ins Dunkel bringen konnte. Zehn Jahre lang recherchierten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Hammerstein die Biografien der russischen Soldaten, die neben der Friedenskapelle Voßhagen begraben liegen. Im Februar 2014 wurden die Ergebnisse dem Freundeskreis Friedenskapelle überreicht. Seit 2016 sind alle 44 Gräber mit Grabplatten und kyrillischen Eingravierungen versehen. Die Gesamtkosten in Höhe von 4800 Euro waren von der Bezirksregierung Köln aus dem Topf für Instandsetzung von Kriegsgräbern finanziert worden.

Svetlana Komissarova hält es für eine Gottesfügung, dass ihr Großvater auf dem Friedhof in Voßhagen begraben wurde und nicht auf einem Ehrenfriedhof mit 18.000 anonymen Gräbern, wie sie ihn in Dortmund besucht hat. In Voßhagen hat unter anderem Anwohner und Künstler Bernhard Guski, der Vorsitzender des Freundeskreises Friedenskapelle ist, ein Auge auf die Kapelle und den Friedhof. „Ich danke der Stadtverwaltung und der Familie Guski, dass die Gräber so gut gepflegt sind“, sagt Svetlana Komissarova gerührt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort