Katholische Kirchengemeinde in Hückeswagen „Es fehlt oft der Mut zur Weite“

Hückeswagen · Der Diakon wurde vor 25 Jahren geweiht. Er spricht über seine Ursprungsmotivation als Lehrer, seine Aufgaben, die Freude und über gelegentliche Zweifel. Sein Engagement gilt allen Initiativen, die Ökumene zu fördern.

 Burkhard Wittwer von der Pfarreiengemeinschaft Radevormwald/Hückeswagen wurde vor 25 Jahren zum Diakon geweiht.

Burkhard Wittwer von der Pfarreiengemeinschaft Radevormwald/Hückeswagen wurde vor 25 Jahren zum Diakon geweiht.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Herr Wittwer, wann und wo sind Sie zum Diakon geweiht worden?

Wittwer Am 17. Juni 1995 hat mich Kardinal Meisner im Dom zu Köln mit sieben weiteren Männern zum Diakon geweiht.

Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Wittwer Ich bin langsam in diese Berufung hineingewachsen. Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten, ihnen zu Wachstum zu verhelfen – das war meine Ursprungsmotivation als Lehrer. Als junger Mann ist mir dann nach einer schweren Erkrankung das Leben sozusagen noch einmal neu geschenkt worden. Das hat meine Entscheidung sehr beeinflusst.

Wie wird man zum Diakon?

Wittwer Im Erzbistum Köln verfügen wir über eine eigene Ausbildungsstätte, das Erzbischöfliche Diakoneninstitut. Dort studieren die Männer berufsbegleitend über fünf Jahre vor und zwei Jahre nach der Weihe. Das ist durchaus ein Studium mit Fachhochschulniveau. Da ich im Lehramt schon Theologie studiert hatte, wurden mir entsprechende Ausbildungsinhalte anerkannt.

Was sind Ihre Aufgaben in der Pfarreiengemeinschaft Radevormwald-Hückeswagen?

Wittwer Als Diakon ist von unserem Selbstverständnis her der Dienst für Menschen in bedürftigen Situationen immer ein Schwerpunkt. Ich bin Caritasbeauftragter für den Seelsorgebereich und halte in dieser Funktion auch den Kontakt zu den verschiedenen sozialen Einrichtungen und Netzwerken. Im Rahmen der Familienpastorale bin ich zuständig für die drei Einrichtungen unseres Familienzentrums und die Erstkommunionsvorbereitung. Natürlich bin ich in den liturgischen Diensten der Taufe, der Trauung und besonders der Beerdigung nahe bei den Menschen. Mein Engagement gilt darüber hinaus allen Initiativen, die Ökumene zu fördern.

Welche Chancen sehen Sie in Ihrer Position, kirchliches Leben zu gestalten?

Wittwer Ich bin neben dem Dienst in unserem Seelsorgebereich auch auf der Ebene des Bistums als Diözesansprecher der Diakone und Mitglied des Diözesanpastoralrates engagiert. Dort wie hier bemühe ich mich, für ein geschwisterliches, ökumenisches und caritativ engagiertes Christsein unterwegs zu sein. Mir ist wichtig, wie Papst Franziskus es formuliert, den Geruch der Herde nicht zu verlieren. In erster Linie gilt es, die Menschen mit ihren Themen, ihren Sorgen und Freuden wahrzunehmen und sie zu begleiten. Kirchliches Leben ist immer schon da, „wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind“.

Wie wichtig ist Veränderung in einer Institution wie der katholischen Kirche?

Wittwer Wir alle kennen die Bibelstelle, dass „der neue Wein nicht in alten Schläuchen abgefüllt werden kann“. Trotzdem tun wir uns oft schwer mit Veränderungen. Wir wissen etwa, dass das Modell „Volkskirche“ zu Ende ist und wir nur noch eine Handvoll zum Großteil ältere Menschen in unseren Angeboten erreichen. Es fehlt oft der Mut zur Weite. Katholisch sein, das heißt ja übersetzt „allumfassend“. Da kann ich weder die Hälfte der Menschheit vom Amt ausschließen, noch den Skandal der Kirchentrennung hinnehmen. Da nützt es auch nicht, mit vielen Worten diesen Zustand zu bedauern, aber aus Angst vor Machtverlust selbst kleine Schritte wie etwa eucharistische Gastfreundschaft mit den Geschwistern der Ökumene, die theologisch längst erledigt ist, zu unterlassen.

Welche Botschaft kann die Kirche heute auch kirchenfernen Menschen mitgeben?

Wittwer Die Botschaft bleibt im Kern immer die gleiche: Du bist als Mensch ein geliebtes Gotteskind und das bleibst du auch, selbst, wenn du versagt hast und schuldig wirst. Und vor allem bleibst du das über dein kleines, endliches Leben hier auf dieser Erde hinaus. Die Frage ist doch, wie ich diese Botschaft vermittele. Und der Weg heute geht nicht mehr darüber, mit viel Aufwand zu religiösen und gottesdienstlichen Veranstaltungen einzuladen. Wir müssen Gelegenheiten schaffen, die Menschen auch in ihrem Alltag zu begegnen, dann ein Stück mit ihnen unterwegs sein, uns öffnen und im Miteinander von unserem Glauben Zeugnis geben. Dieses Zeugnis wird dann entscheidend dafür sein, ob sich jemand anrühren und vielleicht bestärken lässt. Das ist genau das, was auf dem Weg nach Emmaus passiert, und deshalb ist diese, meine Lieblings-Erzählung, das Herzstück für unsere Pastorale der Zukunft.

Haben Sie Ihre berufliche Entscheidung jemals bereut?

Wittwer Ich habe ganz ehrlich immer wieder zwischendurch Momente des Zweifelns, gerade dann, wenn ich an dieser, meiner Kirche, der ich mit Leidenschaft angehöre, leide. Für mich, als ungeduldigem Diakon mit prophetischen Zügen, gehen viele Entwicklungen viel zu langsam und an den Menschen vorbei, die durchaus Sehnsucht nach Begleitung auch von Kirche haben. Wenn ich aber dann die Rückmeldungen von den Menschen bekomme, denen ich – und sei es nur für ein kurzes Stück ihres Weges – ein gutes Wort, eine gute Erfahrung mitgeben konnte, dann weiß ich wieder, dass ich auch nach 25 Jahren in meinem Dienst als Diakon genau richtig bin.

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