Fusion von Hückeswagen vor 100 Jahren Duo macht Stadtgeschichte erlebbar

Hückeswagen · Am 1. März 1920 wurde Hückeswagen zu einer Stadt. Wie es zur Spaltung und Wiedervereinigung kam, erzählen Historiker Norbert Bangert und Chronist Lutz Jahr in einem gelungenen historischen Rückblick.

 Norbert Bangert (l.) und Lutz Jahr haben die Festschrift über die Vereinigung der Gemeinden Hückeswagen und Neuhückeswagen am 1. März 1920 verfasst.

Norbert Bangert (l.) und Lutz Jahr haben die Festschrift über die Vereinigung der Gemeinden Hückeswagen und Neuhückeswagen am 1. März 1920 verfasst.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Alles war bereits geplant zum 100. Jahrestag der Wiedervereinigung von Hückeswagen und Neuhückeswagen zu einer Stadt: Ein großes Frühlingsfest mit verkaufsoffenem Sonntag, ein historischer Jahrmarkt und ein offizieller Festakt im Kultur-Haus Zach war für das letzte Wochenende im März vorgesehen. Und dann kam die Corona-Krise und machte den Feierlichkeiten einen dicken Strich durch die Rechnung. Mit untergegangen ist auch die Veröffentlichung der Festschrift zu diesem denkwürdigen Datum am 1. März. Im Auftrag der Stadt hatten Norbert Bangert (52) und Chroniker Lutz Jahr (69) acht Monate lang intensiv recherchiert, um diese Epoche der Stadtgeschichte aufzuarbeiten und für die Nachwelt festzuhalten. Herausgekommen ist ein 75-seitiges Standardwerk voller interessanter Fakten und Bilder rund um die Zusammenlegung der beiden eigenständigen Gemeinden im Jahr 1920.

Die für die Stadt bedeutende Vereinigung hatte bis dato eigentlich niemand auf dem Schirm. Doch dann war Norbert Bangert bei seinen Recherchen für die Rückblenden in der Bergischen Morgenpost im Juli 2019 auf das anstehende Jubiläum gestoßen und hatte Bürgermeister Dietmar Persian darauf aufmerksam gemacht. Schnell war klar, dass dieses historische Ereignis nicht einfach übergangen werden kann.

 Am Bergischen Kreisel weisen zwei Schilder heute auf die ehemalige Landgemeinde Neuhückeswagen hin.

Am Bergischen Kreisel weisen zwei Schilder heute auf die ehemalige Landgemeinde Neuhückeswagen hin.

Foto: Heike Karsten

Lutz Jahr, ehemaliger Ordnungsamtsleiter der Schloss-Stadt, der auch die Chronik zu „900 Jahre Hückeswagen“ geschrieben hatte, nahm sich zusammen mit Norbert Bangert des Themas an. Die wichtigste Frage: Wo fängt man an, und wo hört man auf? Zeitzeugen können nicht mehr befragt werden, und die Aufzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert sind spärlich und lückenhaft, die Schriften nur schwer zu entziffern. „Es war uns schnell klar, dass es eine schwierige Aufgabe werden würden“, berichtet Jahr im Gespräch mit unserer Redaktion. Etwa 870 Stunden Zeit haben die Autoren in das Werk gesteckt – angefangen von den Recherchen im Stadt- und Landesarchiv bis hin zur Ausformulierung, um die teilweise staubtrockenen Fakten für den Bürger interessant und lesbar zu machen.

Das Duo ist stolz auf den historischen Rückblick. „Es ist ein wissenschaftlicher Aufsatz entstanden, in dem jeder Punkt belegt ist“, sagt Bangert und verweist auf die etwa 180 Fußnoten am Ende der Festschrift. Wie intensiv sich die Autoren mit dem Thema befasst und dabei aus den einzelnen Fragmenten eine zusammenhängende Geschichte zusammengesetzt haben, merkt man im Gespräch. Über die Fusion können beide mittlerweile ausgiebig und auswendig referieren.

 Das ehemalige Rathaus von Neuhückeswagen an der Rader Straße 15 / Ecke Brücke.

Das ehemalige Rathaus von Neuhückeswagen an der Rader Straße 15 / Ecke Brücke.

Foto: Stephan Büllesbach

Der historische Rückblick beginnt zu der Zeit von Napoleon Bonaparte, unter dessen Herrschaft die Freiheit und Honschaften in Hückeswagen 1806 zu einer administrativen Gemeindestruktur (Munizipalität) vereinigt wurden. „Napoleon hatte zwei Gesichter. Er war ein Diktator, aber auch ein Reformer, der das verkrustete alte System aufgebrochen und einheitliche Verwaltungsstrukturen eingeführt hat“, erklärt Bangert. Die Munizipalität ging schon neun Jahre später, nach der Niederlage Napoleons, wieder zu Ende. Die nachfolgenden Strukturen lösten sich dann 1859 mit der Vergabe der Stadtrechte auf. Mit der Stadt Hückeswagen und der umliegenden Landgemeinde Neuhückeswagen gab es nun wieder zwei getrennte Gemeinden mit zwei Gemeindekassen und zwei Bürgermeistern (Christian Langenfeld und Julius Wilhelm Wirth), die sich gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot gönnten und ihren Streit auch öffentlich austrugen. „Per Zeitungsinserate haben sich die beiden Sturköpfe gegenseitig beschimpft und sich die Goethe-Zitate nur so um die Ohren gehauen“, beschreibt es Bangert so, als wäre es gestern gewesen.

Warum es dann 1920 doch wieder zur Wiedervereinigung kam, lässt sich in der Festschrift nachlesen. Sie wurde in einer Auflage von 750 Exemplaren gedruckt und liegt kostenfrei im Bürgerbüro, der Stadtbibliothek und der Bergischen Buchhandlung aus.

Am Bergischen Kreisel weisen übrigens heute zwei Schilder den Weg über die Wupper, die ehemals die Grenze markierte, und auf das ehemalige Neuhückeswagen. Die beiden Autoren möchten mit ihrer Publikation dieses geschichtliche Ereignis wieder ins Bewusstsein der Bürger rufen und sehen die Festschrift zugleich als Grundlage für nachfolgende Forscher und Recherchen. Ihrer gewichtigen Aufgabe waren sie sich dabei immer bewusst. „Es ist eine ganz schöne Verantwortung, wenn man ein Teil der Stadtgeschichte schreibt“, betont Bangert, den sein Mitstreiter als peniblen und geschichtlich versierten Historiker kennen- und schätzengelernt hat. „Ich habe in dieser Zeit viel Geistiges und Geschichtliches hinzugelernt“, fügt Lutz Jahr hinzu. Nach Abschluss der monatelangen, aufwendigen Arbeit steht für den 69-Jährigen dennoch fest: „Eine weitere Chronik werde ich nicht mehr schreiben.“

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