Bildband Buswartehäuschen ist ein „Weltstar“

Hückeswagen · Der Haltestelle von der Bahnhofstraße ist in dem Bildband „Anhalten bitte!“ mit weiteren mehr als 110 Wartehäuschen aus aller Welt verewigt. Ein Schmuckstück ist es aber längst nicht mehr, weswegen es einen neuen Anstrich erhalten könnte.

 Das Hückeswagener Buswarthäuschen an der Bahnhofstraße findet sich auf Seit 8 im Haltestellen-Bildband „Anhalten bitte!“ von Jens Bey.

Das Hückeswagener Buswarthäuschen an der Bahnhofstraße findet sich auf Seit 8 im Haltestellen-Bildband „Anhalten bitte!“ von Jens Bey.

Foto: Stephan Büllesbach

Gewartet auf den nächsten Bus wird in einer überdimensionierten Melone, unter einem Efeu-Dach, umgeben von Schafen, unter einem riesigen Hummer – oder, wie in Hückeswagen, in einem Wohnzimmer à la Loriot. Das Buswartehäuschen von der Bahnhofstraße, dessen eigentlich grauen, im April 2014 aber pink gestrichene Betonwände vor vier Jahren von der Hückeswagener Graffitikünstlerin Marlen Nitzsche in ein buntes Wohnzimmer umgesprayt worden waren, ist Teil eine Bildbands des Autors Jens Bey.

Der 53-Jährige gebürtige Dortmunder, der jetzt in Stuttgart lebt, hat mehr als 110 kuriosen Buswartehäuschen aus aller Welt unter dem Titel „Anhalten bitte!“ ein literarisches Denkmal gesetzt. „Es soll eine kleine Hommage an die Bushaltestelle nicht nur als ein Ort des Reisens sein, sondern auch als ein Ort, der ungeahnte Kreativität freisetzt. Und zwar auf aller Welt“, erläutert der freie Redakteur, Lektor und Autor (unter anderem für den Reiseführerverlag Marco Polo) im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ist das Hückeswagener Buswartehäuschen schon kurios, können viele andere weltweit durchaus mithalten. Im japanischen Miyawaka warten die Menschen in einer überdimensionierten asiatischen Winkekatzte. In Pioneertown im US-Bundesstaat Kalifornien gibt es eine hölzerne Haltestelle „für Großstadtrevolverhelden, Mundharmonikaspieler und Mundharmonika spielende Großstadtrevolverhelden“ mitten im Nirgendwo. Ein Elchgeweih, das im Gegensatz zum Hückeswagener Hirschgeweih echt und nicht aufgemalt ist, erwartet die Wartenden im dänischen Blåvand. Im slowakischen Medzilaborce wird in einer Haltestelle auf den Bus gewartet, die der berühmten Campbell-Suppendose des amerikanischen Künstlers Andy Warhol nachempfunden ist. Denn der hieß eigentlich Andrej Warhola, und seine Eltern stammen aus dem nahen Dorf Miková. In dem Buch gibt’s weitere Buswartehäuschen etwa aus Russland, Kanada, Kuba, Australien, Ägypten, Estland und Indonesien. Und auch aus Wipperfürth hat es eine Haltestelle in den Bildband geschafft: die dem Hückeswagener „Wohnzimmer“ nachgemachte in Weinbach nahe dem Kirchdorf Thier.

 Jens Bey hat kuriose Bushaltestellen aus aller Welt zusammengetragen, darunter auch das Buswartehäuschen von der Bahnhofstraße.

Jens Bey hat kuriose Bushaltestellen aus aller Welt zusammengetragen, darunter auch das Buswartehäuschen von der Bahnhofstraße.

Foto: Stephan Büllesbach

Warum Bey diesen Bildband erstellt hat? Die Antwort gibt Birgit Berg-Becker von Mairdumont in Ostfildern: „Er hat gefühlt seine ganze Schulzeit in Bussen verbracht.“ Im Ausland in Schulbussen, auf der östlichen Schwäbischen Alb in Linienbussen – „in überfüllten Schülerbussen nach Luft schnappen, an Haltestellen rumhängen und Dosenkicken, während man auf den Umsteigebus wartet, frühmorgens halb verschlafen im Sprint den Rücklichtern hinterher wetzen. . .“ Beys Bedarf an Bussen und Haltestellen sei mit dem Abitur gedeckt gewesen – habe er zumindest gedacht. „Doch dann ist ihm auf seinen Reisen aufgefallen, dass die Menschen gerade in Bushaltestellen ganz viel Kreativität stecken“, sagt Birgit Berg-Becker. Schließlich ertappte sich sich der Journalist dabei – ein begeisterter (Welt-)Reisender und Reisebuchmacher der in Mexiko, Brasilien, Spanien und in Königsbronn auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist –, immer mal wieder Bushaltestellen zu fotografieren. So kam‘s am Ende zu diesem Bildband.

Ende April 2014 war das Betongrau des Buswartehäuschens an der Bahnhofstraße von einem Unbekannten über Nacht pink angestrichen worden. Daraufhin entbrannte in der Stadt eine Diskussion, wie damit umzugehen ist. Die Stadtverwaltung entschied sich dazu, das Betonhäuschen neu bemalen zu lassen und lobte einen Wettbewerb aus. Den gewann die Straßweger Grafikerin Marianne Reuter mit ihrem Entwurf des Loriotschen Wohnzimmers. Das witzige Wartehäuschen wurde auch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Und sogar Hochzeitspaare ließen sich in der „guten Stube“ fotografieren.

Doch vom einstigen Glanz ist wenig geblieben. Die Fläche ist schmuddelig, das Graffito an vielen Stellen mit Filzschreibern übermalt. Das hat auch die Verwaltung schon erkannt. So sagt Bürgermeister Dietmar Persian: „Da fehlt’s an Ordnung und Sauberkeit.“ Nun soll das Buswartehäuschen auf jeden Fall auf Vordermann gebracht werden, versichert er auf Anfrage unserer Redaktion. So kann er sich vorstellen, dass es nicht nur einen neuen Anstrich bekommt, sondern sogar ein neues Motiv. „Vielleicht machen wir einen neuen Wettbewerb“, sagt Persian.

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