Montanusschule Hückeswagen Besondere Hilfe für leseschwache Schüler

Hückeswagen · Zu Schuljahresbeginn hat die Montanusschule bei vielen Schülern der Klassen fünf bis sieben teils eklatante Schwächen unter anderem beim Lesen festgestellt. Die Betroffenen werden nun von Schülerinnen und Lesepatinnen trainiert.

 Lesetraining an der Montanusschule: (hinten, v. l.) Sozialpädagoge Bastian Sonntag, die Lesetrainerinnen Samara und Zoe-Jenice, Schulleiter Karlheinz Rennau sowie die Lesepatinnen Margit Endresz und Sabine Schindler helfen Schülern wie (vorne, v. l.) Ambra, Fadi, Ahmad und Rukaia.

Lesetraining an der Montanusschule: (hinten, v. l.) Sozialpädagoge Bastian Sonntag, die Lesetrainerinnen Samara und Zoe-Jenice, Schulleiter Karlheinz Rennau sowie die Lesepatinnen Margit Endresz und Sabine Schindler helfen Schülern wie (vorne, v. l.) Ambra, Fadi, Ahmad und Rukaia.

Foto: Stephan Büllesbach

Rukaia ist ein Minion. Die Zwölfjährige, die vor vier Jahren mit ihrer Familie aus dem Irak geflüchtet ist, hat sich nicht für Karneval in eins dieser gelben Männchen mit den blauen Latzhosen verkleidet. Vielmehr ist das eine Auszeichnung für die Fünftklässlerin. Denn zu Schuljahresbeginn war Rukaia noch ein Boss-Baby, seither hat sich ihre Lesekompetenz aber schon soweit verbessert, dass sie ein Level höhergestiegen ist (s. Info-Kasten).


Was ist das Problem? Zu Beginn des Schuljahres hatten der neue Sonderpädagoge der Montanusschule, Bastian Sonntag, und die Schulleitung bei einer Breitbanddiagnostik der Klassen fünf bis sieben festgestellt, dass ein Teil der Schüler Defizite beim Lesen, in den mathematischen Grundkenntnissen sowie im Lern- und Sozialverhalten haben. Eigentlich sollten die Defizite in allen Bereichen behoben werden, aber der Schule fehlt es an entsprechenden Trainern. „Daher haben wir uns zunächst auf die Lesekompetenz konzentriert“, berichtet Sonntag. Denn beim Lesen seien Defizite besonders gravierend, sei das doch für die Schullaufbahn enorm wichtig.

 Zoe-Jenice (r., 15) aus der neunten Klasse ist eine von zwei Lesetrainerinnen aus der Schule und übt hier mit Ambra (10).

Zoe-Jenice (r., 15) aus der neunten Klasse ist eine von zwei Lesetrainerinnen aus der Schule und übt hier mit Ambra (10).

Foto: Stephan Büllesbach


Wie wurden die Lesedifizite festgestellt? Bei einem sogenannten Screening-Verfahren mussten die Fünft- bis Siebtklässler einzelnen Sätze lesen und dann ankreuzen, ob der darin dargestellte Sachverhalt richtig oder falsch ist, etwa: Der Himmel ist grün. Auch die Leseflüssigkeit wurde getestet. Dabei stellte sich heraus, dass einige Kinder Schwierigkeiten dabei hatten, die Buchstaben und Silben flüssig aneinanderzureihen. „Einige waren so schwach, dass sie keine Normwerte erreichten, sondern unter dem Niveau der Klasse 2 lagen“, verdeutlicht der Sozialpädagoge. Wobei der kommissarische Schulleiter Karlheinz Rennau Wert darauf legt, dass es sich bei den betroffenen 14 Schülern der Klasse 5 und sechs der Klasse 6 – für das siebte Schuljahr reichen die Ressourcen noch nicht aus – nicht nur um Flüchtlingskinder und solche mit Migrationshintergrund handelt, sondern auch um deutsche. „Das geht querbeet“, sagt er bedauernd.


Wie wird nun gearbeitet? Dreimal in der Woche bekommen die Kinder während der Unterrichtszeit jeweils 20 Minuten Lesetraining. Die beiden Neuntklässlerinnen Samara und Zoe-Jenice sowie aktuell vier, demnächst fünf Lesepatinnen treffen sich mit den Schülern im Leseraum, wo sie mit ihnen gemeinsam einen Text durchgehen. So helfen sie den leseschwachen Jungen und Mädchen beim Tandem-Lesen, flüssig zu lesen und die richtige Betonung zu setzen. Dann müssen die Betroffenen ihren Trainerinnen den Text vorlesen. Mindestens viermal muss ein Text gelesen werden. Bei einem Fehler wird der Satz wiederholt. Von der Zahl der gelesenen Wörter werden die Fehler abgezogen, so dass sich ein Wert ergibt. Bastian Sonntag: „Ein guter Leser, etwa wir Erwachsenen, liest 90 bis 100 Wörter fehlerfrei in der Minute.“ Die Kinder, die es auf das Minion-Level – das zweite – geschafft haben, liegen bei etwa 40. „Andere schaffen auch schon 60 bis 70 Wörter.“

Gibt es Anreize? Je nach Entwicklung steigen die Schüler in den Leveln hoch, was sie, aber auch ihre Trainerinnen und Lehrer stolz macht. Rukaia zum Beispiel „hat ihre Werte schon verdoppelt“, berichtet Rennau erfreut. Wenn alles richtig gelesen wird, gibt es Stempel in ihre Trainingshefte. Und wenn sie ein Level hinaufgeklettert sind, „gibt es eine Belohnung“, berichtet Sonntag. Beliebt sei es, Billard oder Kicker im schuleigenen Raum zu spielen.


Was sagen die Kinder? „Ich kann nicht so gut lesen“, sagt Rukaia, die trotz ihrer erst vier Jahre in Deutschland zumindest schon sehr gut Deutsch spricht. „Aber ich will gut lesen lernen.“ Das übt sie manchmal an den Wochenenden daheim.

Was treibt die Trainerinnen an?
„Mir macht das Spaß“, versichert Zoe-Jenice. Die 15-Jährige hat gute Voraussetzungen, hat sie doch schon viel gelesen, vor allem Fantasy- und Liebesromane. „Bei mir in der Klasse können viele nicht gut lesen“, hat sie festgestellt. Auch wenn ihr Fokus nun mehr auf der Schule als auf dem Lesen liegt, kümmert sie sich doch gerne um ihre jüngeren Mitschüler. Sabine Schindler ist über die Flüchtlingsarbeit an der Montanusschule zur Lesepatin geworden, nachdem die Leitung sie darauf angesprochen hatte. „Ich finde es wichtig, dass Kinder gut lesen können. Meine Kinder habe ich früher auch ans Lesen herangeführt.“ Schon in der Grundschule sei sie Lesepatin gewesen. Das Lesen, unterstreicht die Hückeswagenerin, sei eine wichtige Arbeit: „Drauf baut alles auf. Selbst Mathematik.“ Denn um etwa die Fragestellung verstehen zu können, müsse man lesen könne. Ansonsten könnten sich die Kinder klein fühlen, was sie aggressiv werden lassen könnte, wirft Lesepatin Margit Endresz ein

Was ist noch geplant? In Kürze starten in der fünften Klasse zwei Fördergruppen zur Verbesserung des Lern- und Sozialverhaltens. Auch sollen in einer Kleingruppe die mathematischen Defizite angegangen werden. „Das geht aber nur, weil uns zwei Schülerinnen und fünf externe Lesepatinnen helfen“, sagt Bastian Sonntag. „Sie sind uns eine unschätzbare Hilfe“, versichert Rennau. Weitere Unterstützer sind daher gerne gesehen.

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