SERIE Orts- und Straßennamen – Gardelenberg „Am Gerdelnberge“ lässt es sich gut leben

Gardelenberg · Die Anhöhe zwischen Peterstraße und Dierl wurde erst nach 1965 bebaut. Unter der Erde schlummert ein verschütteter Eisbunker.

 Alte Ansicht um 1930 von der Wupperseite, dahinter das Gelände von Klingelnberg und dahinter der Gardelenberg, der mittlerweile bebaut ist.

Alte Ansicht um 1930 von der Wupperseite, dahinter das Gelände von Klingelnberg und dahinter der Gardelenberg, der mittlerweile bebaut ist.

Foto: Archiv Klingelnberg

Die Siedlung auf dem Gardelenberg gibt es noch gar nicht so lange. Erst 1965 wurde die Anhöhe zwischen Peterstraße und Dierl für eine Bebauung vorbereitet. Heimatforscher und Buchautor Siegfried Berg, der dort 1967 ein Grundstück mit Reihenendhaus gekauft hat, kann sich auch noch an die Zeit davor erinnern: Nach dem Krieg genehmigte die Evangelische Kirchengemeinde, der die Grundstücke gehörten, aus humanitären Gründen Gartenanlagen auf dem Gardelenberg, wo die Hückeswagener Gemüse und Obst zur Selbstversorgung anbauen konnten. „Ich wurde dazu verdonnert, Pferdeäpfel von der Peterstraße aufzulesen und diese über den damals bestehenden Feldweg zur Düngung in den Garten zu bringen“, erinnert sich der 79-Jährige an seine Kindheit und Jugendzeit.

Nicht nur auf der Anhöhe wurde gearbeitet, auch unter der Erde war man nicht untätig. Denn der Gardelenberg beherbergte einen Eis-Keller, in dem Gastwirte ihre Getränke kühlen konnten und der schon vor 1900 bestanden haben muss. „An der Peterstraße gab es viele Wirtschaften“, berichtet Berg. Die Eisblöcke zur Kühlung wurden im Winter aus den Teichen geschlagen und mit Stroh verpackt im Stollen gelagert.

 Anwohner Siegfried Berg vor seinem Haus an der Hochstraße.

Anwohner Siegfried Berg vor seinem Haus an der Hochstraße.

Foto: Heike Karsten

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, im Dezember 1944, bekam der Eiskeller dann eine neue Funktion: Die Stadt Hückeswagen baute den Eisstollen in Arbeitsgemeinschaft mit der Firma Klingelnberg zum Luftschutzstollen aus. Die Firma stellte Kompressoranlagen und Arbeitskräfte, die Stadt übernahm die Planung sowie die Bauaufsicht und stellte das erforderliche Baumaterial. Bis zu 1000 Menschen sollten in dem Stollen Platz finden. Das geht aus einem Brief der Stadt an die Evangelische Kirchengemeinde hervor, der das Grundstück oberhalb des Stollens gehörte und auf dem der Zugang vorgesehen war.

Berg kann sich daran erinnern, während eines Bombenangriffs einmal zusammen mit seinen Eltern in den Bunker geflohen zu sein. In seinem Buch „Heimischer Bergbau in und um Hückeswagen“ findet der Stollen entsprechend Erwähnung. „Der Stollen wurde jedoch nicht fertiggestellt, die Zugänge sind mittlerweile verschüttet“, fügt der frühere BGV-Vorsitzende hinzu.

Bebaut war zunächst nur der Hang des Gardelenbergs zur Peterstraße. Erst nach 1965 folgten die Häuser oberhalb entlang der Gardelenberg-, Hoch- und Fritz-Zoll-Straße. Auch die Neue Welt ist ein Teil der Siedlung, obwohl die Häuser dort von der Peterstraße aus eine eigene Zufahrt besitzen. Ein Architekt aus Düsseldorf sei damals beauftragt worden, die Stadt Hückeswagen zu sanieren beziehungsweise Vorschläge zur Bebauung zu machen, erzählt Berg. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen stammen die Flachdach-Reihenhäuser an der Hochstraße aus der Feder des Düsseldorfers. „Gut, dass man ihn nicht an die Stadt gelassen hat“, sagt Berg augenzwinkernd und mit Blick auf die versetzt angeordneten Reihenhäuser mit den teilweise unschön zerstückelten Grundstücken. Gebaut wurden die Häuser von der Genossenschaft für Bau- und Siedlungswesen (GBS). Einige Hausbesitzer haben ihre Häuser später mit Schrägdächern aufgestockt, so wie das Ehepaar Anneliese und Willi Becker. „Dafür haben wir drei Jahre lang gekämpft“, berichten die langjährigen Anwohner.

Zu den ersten Häusern auf der Anhöhe zählten größere Villen von Fabrikanten und leitenden Angestellten der örtlichen Firmen. Weitere freistehende Einfamilienhäuser gesellten sich dazu. Der Spielplatz, den die Stadt am Gardelenberg geplant hatte, wurde nie gebaut. Auch die letzte freie Wiese, die die Kinder zum Spielen und Toben genutzt hatten, ist verschwunden und bebaut. Tiere verirren sich dennoch häufig in die Siedlung, so wie ein streunender Fuchs, der 2016 im Garten von Siegfried Berg saß und die drei Keramikgänse an seinem Fenster beobachtete. Auch Steinmarder, Eichhörnchen, Hasen und Igel aus den benachbarten Wäldern wurden beobachtet. Siegfried Berg berichtet sogar von einer Mäuseplage: „52 Mäuse hatte ich in einem Jahr im Gartenhaus.“

Ansonsten wohnen die Anwohner des Gardelenbergs sehr ruhig. Der Verkehr der Peterstraße ist kaum zu hören, und auch Durchgangsverkehr gibt es in der Sackgasse mit Wendekreis an der höchsten Stelle der Anhöhe nicht.

Früher gab es zudem eine gute Nachbarschaft, die gemeinsam Straßenfeste gefeiert hat. „Wir haben sogar einmal am Wettbewerb ‚Unser Dorf soll schöner werden‘ teilgenommen und einen grünen Rasenteppich ausgelegt“, erinnert sich der Hückeswagener. Straßenfeste gibt es heute nicht mehr, denn nach mehr als 50 Jahren hat ein Generationswechsel stattgefunden. „Die Nachbarn sind entweder zwischen 80 und 90 Jahre alt oder schon verstorben“, sagt Berg. Zu den jüngeren, zugezogenen Nachbarn sei der Kontakt nicht mehr so eng wie früher. Eine Entwicklung, von der nicht nur der Gardelenberg betroffen ist.

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